Darling Jim
Tutenchamun. Jedes Mal, wenn Jim lächelte, fiel mir auf, wie weiß seine Zähne waren. Er hatte mich immer noch nicht geküsst, und allmählich begann meine Vernunft sich wieder zu Wort zu melden. Finbar hatte mir bereits drei SMS geschickt, ohne eine Antwort darauf zu erhalten.
»Wo sind die hängenden Gärten von Babylon?«, fragte Jim. »Die fehlen dir noch.«
Ich schnippte mit den Fingern. »Ah. Hab ich vergessen. Aber ich glaube, die gießt eh keiner mehr.«
Er setzte sich neben mich an den Küchentisch und ich badete in seinem Geruch nach Motoröl und dem Bier aus der Kneipe. »Wie heißt du jetzt eigentlich?«
Ich hörte mich noch »Fiona« sagen, und dann küsste er mich. Ich habe ja schon erzählt, dass ich mich gleichzeitig nackt und völlig sicher fühlte, als er mich am Vormittag auf der Straße mit voller Aufmerksamkeit betrachtet hatte. Multiplizier das mit einer unendlich großen Zahl. Er ließ sich viel Zeit damit, mich auszuziehen, und ich durfte dabei nicht helfen. Ich sah seine Zähne schimmern, als er über und neben mir lächelte, während er den Reißverschluss meines Rockes öffnete, meine Bluse und mein Unterhemd auszog und mir meine schrecklich unerotischen Schuhe von den Füßen zog. Wenn ich ihm helfen wollte, gab er mir einen sanften Klaps auf die Hand. Die ganze Zeit lag ich nur da und fragte mich, wie oft er so etwas schon getan hatte, denn seine Bewegungen wirkten geübt und flüssig, als vollführe er ein Ritual. Selbst wenn ich die Antwort gewusst hätte, wäre es mir egal gewesen, das versichere ich dir.
Denn er vögelte mich ins Nirwana, und zwar in jeder Ecke meiner winzigen Wohnung. Es überraschte mich, dass er mir die Führung überließ, statt sich wie der Hardcore-Sex-Desperado zu benehmen, für den ich ihn gehalten hatte. Und während Finbar eine Landkarte gebraucht hatte, um meine sensibelsten Stellen zu finden, erriet Jim meine Wünsche mit geschlossenen Augen. Mein Atem und die Art, wie ich auf seine Berührungen reagierte, verrieten ihm alles, was er wissen musste, und er hörte nie zu früh auf, wenn er an einem Ort angekommen war, der uns beiden gefiel. Ich kam mir vor, als würden wir beide eine komplizierte Tanznummer aufs Parkett legen, im Stehen, im Sitzen und im Liegen. Ich entdeckte neue Welten, die er bereits sehr gut kannte. Aber er ließ sie mich selbst erforschen, ohne mich dabei zu leiten.
Sogar während er mich um den Verstand vögelte, war mir bewusst, dass dies nicht nur ein rein körperliches Vergnügen war.
Er verführte jeden Teil meines Wesens, den ich benennen konnte, und Teile, von deren Existenz ich bisher nichts geahnt hatte. Und ich gab mich ihm ohne Widerstand hin. Natürlich hatte ich auch vor Finbar Freunde gehabt. Und natürlich waren einige einfühlsam und lieb gewesen und manche sogar erfahren genug, um mich mit ihren Händen und Zungen zum Erröten zu bringen. Aber Jim war im Gegensatz zu den meisten Männern, mit denen ich geschlafen hatte, nicht nur daran interessiert, seine Männlichkeit zu beweisen und in Rekordzeit möglichst laut zu kommen, wie ich es bei den meisten Männern erlebt hatte. Er war unberechenbar, und das irritierte und erregte mich gleichzeitig. Seine Leidenschaft lag tief unter seinen überragenden Liebhaberqualitäten verborgen und blieb für mich immer knapp außer Reichweite. Wahrscheinlich war diese Zurückhaltung dafür verantwortlich, dass mein Verlangen nach ihm unstillbar war und ich nicht genug von ihm bekam. Ich hatte mich ihm ganz und gar gegeben und im Gegenzug nur eine Kostprobe von dem erhalten, was sich in seinem Innersten verbarg. Und im Nachhinein war das wahrscheinlich auch ganz gut, denn schon diese Kostprobe versetzte mich in rauschhafte Ekstase. Die volle Dosis hätte mich womöglich umgebracht.
Als ich wieder einigermaßen klar denken konnte, waren ungefähr fünf Stunden verstrichen.
Ich lag auf dem Boden, meine Wange ruhte auf Jims seidenglatter, vollkommen haarloser Brust, und ich träumte von einer Zigarette, aber ich hatte keine mehr. Jim schien erneut meine Gedanken zu lesen, griff nach seiner Jacke und holte zwei Zigaretten aus der Tasche. Wir lagen eine Weile reglos und stumm da und blickten den Rauchschwaden nach. Das Kreischen der Möwen vor dem Fenster verriet uns, dass der Morgen bald grauen würde.
»Wie heißt er?«, fragte Jim und schlang seinen freien Arm wieder um mich.
»Wen meinst du?«, fragte ich, wusste es aber ganz genau. Denn mein Handy hatte die ganze Nacht
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