Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mork
Vom Netzwerk:
lang lauter gesummt als Courtney Loves Vibrator. Diesmal hatte ich wirklich Mist gebaut. Und keine Lüge der Welt würde mich da rausholen.
    »Du musst ihm das nicht erzählen«, sagte er mit einem Lächeln, das mich trösten sollte.
    »Machst du Witze? Alle von hier bis Bantry wissen es schon.
    Sie haben uns zusammen aus der Kneipe gehen sehen.«
    Er grinste und streichelte die Innenseite meines Oberschenkels. »Dann erzähl ihm eben nicht alles.«
    »Das tue ich nie«, seufzte ich und ließ seine forschenden Finger gewähren.
    Jim schlüpfte in seine Jeans, als die Sonne bereits so hoch am Himmel stand, dass der Unterricht bereits begonnen haben musste. Ich saß auf einem Stuhl in der Küche und tat so, als blätterte ich in Aufsätzen. Aber ich dachte an das Märchen, das Jim noch nicht beendet hatte. »Was wird nun aus dem Werwolf?«, fragte ich. Kurz bevor er sein T-Shirt überzog, fiel mir zum ersten Mal das Tattoo an der Innenseite seines linken Oberarms auf. Es sah aus wie ein Symbol, und darunter befand sich ein Schriftzug. Ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, andere Aspekte seines Körpers zu bewundern, um mich für eine Tätowierung zu interessieren, aber irgendetwas sagte mir, dass es sich in seinem Fall nicht um MAMA IST DIE BESTE handelte.
    »Euan ist kein Werwolf«, sagte Jim plötzlich ernst geworden. »Er verwandelt sich nach Vollmond nicht zurück in einen Menschen. So einen Bullshit gibt es nur in Comics, genau wie Silberkugeln und den ganzen Mythosquatsch. Euan ist ein ganz gewöhnlicher Wolf, ein echtes Tier. Er streift durch die Welt und ist gleichzeitig Jäger und Gejagter. So lange, bis er jemanden findet, den er lieben kann.«
    »Wird das jemals geschehen?« Ich wollte unbedingt, dass dieser Wolf erlöst wurde. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht, weil Jim den Wald als furchtbar einsamen Ort beschrieben hatte.
    »Woher soll ich das wissen?«
    Das enttäuschte mich. Gestern Abend hatte er so getan, als sei die ganze Geschichte bereits geschrieben, wie eine alte Sage. Ich griff nach Jims Zigarettenschachtel, aber sie war leer. »Du erfindest deine Storys also erst beim Erzählen?«
    Er lächelte auf eine Art, die ich nicht deuten konnte. »Genau andersrum, Süße«, sagte er. »Die Geschichte ist der Chef, nicht ich. Und wie mein alter Kumpel Tomo gestern gesagt hat, werden wir morgen Abend in Adrigole ein wenig mehr erfahren. Vorher kann ich dir leider nichts verraten.« Er schnürte seine Stiefel, die aussahen, als sei er in ihnen bis ans Ende der Welt und zurück marschiert. Sie hatten Stahlkappen.
    »Wo hast du denn diesen Chinesen aufgetrieben? Er war gestern nicht sehr angetan von dir.«
    »Er ist Japaner, auch wenn ihm das völlig egal ist. Vor ein paar Jahren habe ich in einer Rückband gespielt, die er gemanagt hat. Die Jungs haben sich einen fetten Plattenvertrag unter den Nagel gerissen und uns beide deshalb rausgeschmissen. Seitdem sind wir sozusagen unzertrennlich. Sein Name bedeutet in seiner Sprache „Kamerad“ oder so ähnlich.«
    »Du bist also der Sheriff und er dein eingeborener Vertrauter. Aber wo ist sein eisernes Pferd?«
    »Ihm wird auf Motorrädern schlecht, und er kann überhaupt nicht fahren. Tomo fährt den Van mit unserer Soundanlage.« »Er war gestern ganz schön sauer auf dich, stimmt's?«
    Er sah mich an, ohne mit mir zu flirten. »Nein, er war nur eifersüchtig, weil er mich mit dir gesehen hat.«
    Ich zwirbelte die Knöpfe an meinem Ärmel und mied seinen Blick. »Das passiert bestimmt öfter.« Es war keine Frage, da ich wusste, dass mir die Antwort nicht gefallen würde.
    »Seltener, als du glaubst.«
    Ich schaute aus dem Fenster und sah draußen das von der Sonne angestrahlte rote Motorrad in all seiner Pracht stehen. Jims Vincent Comet brachte den Verkehr durch die Gatter genau wie gestern beinahe zum Erliegen. Er stand auf, zog seine Lederjacke an und breitete die Arme aus. Ich ging zu ihm und ärgerte mich darüber, dass ich nicht den Mut hatte, ihn zu fragen, ob wir uns wiedersehen würden.
    »Brich dir nicht den Hals auf dem Ding da«, sagte ich und versuchte, tapfer zu klingen.
    »Keine Sorge«, antwortete er, legte seine Hand kurz auf meinen unteren Rücken, ein bisschen tiefer als das Gummiband meines Höschens. Mistkerl. »Pass auf dich auf, bis wir uns wiedersehen.«
    Und damit war er auch schon aus der Tür. Er winkte mir mit zwei Fingern lässig zu, und ich wollte ihn dafür verabscheuen, schaffte es aber nicht. Statt wie eine liebeskranke

Weitere Kostenlose Bücher