Darling
grauen Winterhimmel in den Zenit.
Er hatte Annika viel erklären müssen. Doch sie hatte ihm alles verziehen. Er war die Liebe ihres Lebens, der Mann, der sie glücklich machte. Und irgendwie war sie mächtig stolz auf ihn. Dass ausgerechnet ihr Freund „der“ Taxifahrer war … Ihre Freundinnen beneideten sie um die Geschichte, die sie immer und immer wieder bis ins kleinste Detail erzählen musste. Auf einmal hatte sie es gar nicht mehr eilig damit, dass er sich auf einen „normalen“ Null-Acht-Fünfzehn-Job bewerben sollte.
„Schatz, mir ist kalt. Ich geh schnell noch mal hoch und hole meinen Schal. Wartest du hier?“
Adrian nickte und setzte sich auf eine leere Bank am Main. Langsam und träge floss das trübe Wasser an ihm vorbei. Am Ufer gegenüber erhob sich dunkel und abweisend die Großmarkthalle vor dem Frankfurter Ostend. Die Nacht auf der Weseler Werft mit Clara schien Lichtjahre her. Noch im Krankenhaus hatte er ihr einen langen Brief geschrieben. Aber sie hatte nicht geantwortet.
Vorsichtig griff er in die Tasche seiner Lederjacke und zog die unvermeidliche Schachtel Marlboro heraus. Dann fühlte er sie. Kühl und filigran. Die Kette mit dem Engelsflügel. Warum hatte er sie damals, als er mit Clara die Wohnung in Griesheim verließ, eingesteckt? Sehnsüchtig schaute er übers Wasser. Dann holte er weit aus, um das Amulett in den Fluss zu werfen.
In diesem Moment bellte neben ihm ein Hund.
„Wohl verrückt geworden, uns so zu erschrecken!“, beschimpfte ihn eine junge Frau. Adrian blickte in die klaren graublauen Augen eines jungen Huskys. Verspielt neigte der Hund den Kopf und beobachtete ihn aufmerksam.
„Komm jetzt.“
Energisch riss die Hundehalterin an der schweren Metallkette, die sich klirrend zwischen ihren Händen und dem Halsband des Hundes spannte. Für Sekunden schloss Adrian die Augen und fühlte eine tiefe Sehnsucht nach Clara. Dann drehte er sich um und warf das Engelamulett mit viel Schwung weit hinaus in den Main.
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