Darling
ihr die Beifahrertür.
„Hier leben Sie?“
„Vorübergehend.“
Nachdenklich blickte er dem Polizeifahrzeug nach, das sichtlich langsamer wurde und dann vor der „Frankfurter Küche“ wendete.
„Kommen Sie, schnell!“
Adrian fasste Clara am Handgelenk und zog sie nach unten.
„Aua! Verrückt geworden? Was soll das?“
Adrian bedeutete ihr mit dem Zeigefinger auf den Lippen zu schweigen.
„Polizei!“
In Claras Augen flackerte für eine Sekunde Furcht. Doch dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle.
Langsam passierte die Polizeistreife den Wagen Richtung Innenstadt und hielt in Höhe des Bildungszentrums an. Der direkte Weg über die Sonnemannstraße zur Wohnung von Enzo war damit abgeschnitten.
Adrian drehte sich um. Dunkel erhob sich die Großmarkthalle hinter ihm in den Nachthimmel. Wo war die verdammte Lücke im Zaun, die er in der vergangenen Nacht gesehen hatte? Am Walter-von-Cronberg-Platz stand sein Taxi. Er müsste mit Clara nur über die Deutschherrnbrücke die andere Mainseite erreichen.
Die Zeiger der hell erleuchteten Uhr an der Großmarkthalle zeigten halb zwölf. Vorsichtig schob er Clara durch das aufgerissene Maschengitter. Einige Baumaschinen standen von Scheinwerfern angestrahlt an der Rückertstraße, doch der Rest des Geländes lag in tiefer Dunkelheit.
„Wo wollen Sie hin?“
„Nach Sachsenhausen. Wir kürzen hier ab. Am anderen Ufer sind wir sicher.“
Clara stolperte fluchend über den aufgeweichten Schutt der abgerissenen Annexbauten hinter ihm her. Plötzlich hörte er Hundegebell.
„Scheiße! Hier lang!“
Seit wann patrouillierten auf dem Gelände Wachhunde? Scheinwerfer flammten auf. Adrian fühlte sich wie auf einem Präsentierteller. Von ferne hörte er ein Martinshorn. Energisch zog er Clara hinter sich her Richtung Oskar-von-MillerStraße. Dort gab es eine Behelfsausfahrt für Baustellenfahrzeuge. Hier hatte er erst vor einigen Tagen polnische und rumänische Bauarbeiter, die bis frühmorgens in Sachsenhausen gefeiert hatten, abgesetzt. Damals hatte er sich über die Kerle geärgert, denn für sechs Euro fünfzig hätten die volltrunkenen Zecher den kurzen Weg über die Flößerbrücke auch laufen können.
„Das war wirklich eine super Idee!“
Claras Stimme klang mehr als nur genervt. Warum tat er sich das mit dieser Zicke hier eigentlich an?
„Bitte schön! Ende der Expedition. Gehen wir doch zur Polizei!“ Clara blickte betreten zur Seite. Dann stolperte sie hinter ihm her durch Matsch und Geröll zum Ausgang. Atemlos erreichten sie die Schienen der Hafenbahn. Vor ihnen lag die unbeleuchtete Ruhrorter Werft mit zwei Kohleverladekränen aus einer längst vergangenen Zeit. Die Deutschherrnbrücke war dagegen taghell erleuchtet. Alles suboptimal, dachte Adrian.
„Ich kann nicht mehr.“
Erschöpft sank Clara auf die Stufen der Treppe zum „Pflasterstrand“. Von dem Café hatte man einen phänomenalen Blick über den Main und die Frankfurter Skyline, wenn man nicht gerade auf der Flucht war.
Clara war kalt. Sie fühlte sich schmutzig und erschöpft. Ein heftiger Sprühregen wehte ihnen ins Gesicht.
„Wie ich aussehe! Fürchterlich!“
Es war das erste Mal, dass er Clara jammern hörte.
„Ich rufe jetzt Alex an. Er soll mich abholen. Ich will nach Hause.“ Sie zückte ihr Handy.
Adrian schloss für Sekunden resigniert die Augen. Er hatte sich für diese Frau zum Affen gemacht. Natürlich wollte er sie beeindrucken. Aber die Abkürzung über das morastige Gelände der Großmarkthalle war ein Flop gewesen. Sie schaute ihn an, als ob er der größte Dilettant sei, der ihr jemals in ihrem Leben begegnet war.
Was hatte er sich bloß dabei gedacht, mit Clara mitten in der Nacht über die Mauerreste der Annexbauten zu klettern? Nachdenklich blickte Adrian über die Weseler Werft auf die Frankfurter Skyline, während Clara mit ihrem Mann telefonierte. Er stand auf und zündete sich eine Zigarette an. Gedankenverloren schlenderte er zur Kaimauer und kickte wütend Schottersteine in den Main. Von hier oben dauerte es einige Sekunden, bis sie mit einem lauten Platschen auf den nachtschwarzen Fluss klatschten.
Enttäuscht setzte er sich auf eine der ausgemusterten Loren, die mit den verrotteten Krananlagen hinter ihm über Jahrzehnte klaglos ihre Dienste verrichtet hatten. Nachdem die Hafenanlagen abgebaut worden waren, wurden sie jetzt als Sitzgelegenheiten im „Pflasterstrand“ genutzt. Wenn der Neubau der Europäischen Zentralbank 2011 in
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