Darling
duldete, an. „Gib mir die Adresse, ich erledige das. Du kannst dich auf mich verlassen.“ Und nach einer kurzen Pause fügte er versöhnlich hinzu: „Versprochen, Karl. Madame wird zufrieden sein.“
Karl nickte erleichtert. Dann drückte er auf die Tasten, um die Verbindung zur Zentrale herzustellen.
„Sissi, ich bin krank. Magenverstimmung. Ich fahr nach Hause und melde mich morgen wieder.“ In der Leitung knackte es.
„Adrian, verdammt noch mal! Du bist in letzter Zeit ausgesprochen oft unpässlich!“, keifte es aus dem Äther.
„Mach mal langsam, Sissi!“, empörte sich Adrian. „Ich bin es nicht. Karl sitzt hier bei mir im Wagen. Er hat einen MagenDarm-Virus und ist krank.“
Sissis vorwurfsvolle Stimme brachte Adrian auf die Palme. Anscheinend gab es einen Punkt, an dem alle Frauen gleich hysterisch reagierten. Adrian hasste diese Situationen. Denn Annika verhielt sich mittlerweile immer öfters wie Sissi, wenn sie schlechte Laune hatte. Er schaute auf sein Handy. Dort lauerte immer noch die SMS, die er partout nicht lesen wollte.
Karl drückte ihm einen krakelig beschriebenen ZetteHand und schaute ihn erwartungsvoll an.
„Du tust, was sie will“, flehte er mit großen Augen. Adrian nickte. Der Typ war heute echt eine Nervensäge.
„Ach übrigens, dein rechtes Rücklicht ist defekt“, bemerkte der Alte und öffnete die Beifahrertür.
Adrian fluchte. „Oh Mann, das hab ich völlig vergessen. Die Polizei hat mich gestern schon mal angehalten. Ich hab’s heute total verpeilt, zum Check in die Werkstatt zu fahren. So ein Mist!“
„Wenn du willst, können wir die Wagen bis morgen früh tauschen“, schlug Karl vor. „Du musst nur Sissi Bescheid sagen, dass du auf die 353 umgestiegen bist.“
Adrian nickte. Er schnappte sich seine Lederjacke, Papiere, Handy und die unvermeidliche Zigarettenschachtel, während Karl um das Auto herum zur Fahrerseite ging.
„Du tust, was sie will“, klang es in Adrians Ohren, als er in Karls Wagen stieg und den Zündschlüssel drehte. Ihn fröstelte, und eine Gänsehaut breitete sich auf seinem Rücken aus. Unwillig schüttelte er sich und meldete sich über Funk in der Zentrale.
„Sissi, ich hab’ einen Auftragskunden um zehn in Griesheim. Melde mich zurück, wenn die Fahrt erledigt ist.“
„Okay!“, schallte es hörbar gelangweilt zurück.
Adrian kannte die Straße, die Karl ihm aufgeschrieben hatte. Dafür brauchte er kein Navigationssystem so wie viele der Aushilfen, die beim Taxifunk Schicht schoben. Er setzte den Blinker und fädelte sich dann rechts Richtung Baseler Platz in den träge dahinfließenden Verkehr ein. Noch fast dreißig Minuten, bis er in Griesheim sein musste. Da blieb noch genügend Zeit für eine Cola und eine Zigarette.
2
Langsam schob Adrian die House-CD in den Player. Ein Geschenk von seinem früheren Studienkollegen Enzo. Der saß seit knapp einem Jahr „direkt an der Quelle“, wie er sich grinsend brüstete, seit er den Nachtwächter-Job im Rechenzentrum von „connection“ angetreten hatte. Hunderte von Servern surrten unter dem monotonen Brausen überdimensionierter Klimaanlagen im Hightechzentrum an der Hanauer Landstraße.
„Voll der easy Job“, hatte Enzo zufrieden festgestellt, nachdem er Absage um Absage auf zig Bewerbungen für einigermaßen vernünftig bezahlte Vollzeitstellen kassiert hatte. Geografiestudenten gebe es wie Sand am Meer. Und Geografiestudenten mit lausigen Abschlüssen seien so zahlreich wie Wassertropfen im Pazifischen Ozean, hatte ihn die Personalchefin der Zeitarbeitsfirma, die ihn letztendlich vermittelte, sichtlich gelangweilt aufgeklärt.
Adrian empfand Enzos Arbeitsplatz als superstupide. Nacht für Nacht Tausende von Servern über endlose Reihen von Monitoren zu überwachen, um unendliche Datenströme zu kontrollieren und zu protokollieren. Datenpaket um Datenpaket schnurrte auf dem virtuellen Highway des World Wide Web wie ein langer monotoner Fluss an Enzos Bildschirmen vorüber. Und immer, wenn der virtuelle Strom ins Stocken geriet, klingelte das Telefon im Support Sturm.
„Ich arbeite am DeCIX, Deutschlands größtem Verkehrsknotenpunkt im Internet“, hatte sich Enzo vor kurzem stolz vor ihm aufgeplustert.
„Und ich am Frankfurter Hauptbahnhof, Deutschlands größtem realen Verkehrsknotenpunkt“, hatte Adrian mit wegwerfender Handbewegung gekontert.
In den vergangenen Monaten hatte er dann allerdings schon zu schätzen gelernt, dass Enzo an einer schier
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