Darling
provozierenden Blick sitzen. Adrian war für eine Sekunde irritiert. Doch dann wurde ihm schlagartig klar, was sie von ihm erwartete. Beflissen stieg er aus, um ihr die Tür zu öffnen. Als sie aus dem Wagen stieg, trennten ihn nur wenige Zentimeter von ihrem glänzenden Haar und ihren roten Lippen.
„Bis morgen früh“, strahlte sie ihn an.
Adrian senkte seinen Blick. Sein Puls pochte hart in der Halsschlagader. Verkrampft hielt er sich an der Wagentür fest.
Wie von Geisterhand schwang die Eisentür zum unterirdischen Klärwerk auf. Sekunden später schnappte die Pforte mit einem harten metallischen Klang hinter der Frau ins Schloss.
Eine tiefe Stille umfing Adrian. Irgendwo tropfte Wasser monoton in ein Auffangbecken. Bis auf das Brausen der Autobahn zwischen Niederrad und Goldstein und einem weit hinten über dem Stadtwald tief anfliegenden Jet war es auf einmal unglaublich still um ihn herum.
Intuitiv griff Adrian nach einer Zigarette. Wo war eigentlich sein blödes Motorola hingerutscht? Adrian inhalierte tief. Mit der Flamme des Feuerzeugs leuchtete er unter den Beifahrersitz. Vorsichtig fischte er nach seinem Handy. Kurz bevor die Flamme im Windzug verlosch, sah er weit hinten unter dem Sitz etwas Silbernes aufblitzen. Als er das Feuerzeug zum zweiten Mal aufflammen ließ, erkannte Adrian das silberne Amulett unter dem Beifahrersitz. Er erinnerte sich an das klimpernde Geräusch. Die schöne Unbekannte hatte anscheinend ohne es zu bemerken den Schmuck ihres Handys abgerissen.
Im fahlen Licht der Fahrzeuginnenbeleuchtung inspizierte Adrian neugierig das Amulett. Mehrere ineinander verschlungene schmale Silberringe waren durch ein dünnes schwarzes Lederband geführt. Am Ende der Bänder baumelte ein abgebrochener silberner Engelsflügel. Adrian spürte die Kühle des wunderschönen Schmuckstücks in seinen Händen. Als er vorsichtig über den Flügel strich, konnte er jede einzelne der filigranen Federn fühlen.
Sollte er der Frau das verlorene Amulett hinterhertragen? Oder bis morgen früh warten und es ihr dann zurückgeben? Adrian stieg aus dem Wagen und zündete sich nachdenklich eine Zigarette an. Er wollte keinen Stress mit Karl. Der Mercedes sollte am nächsten Morgen nicht nach kaltem Rauch riechen.
Nachdenklich lehnte Adrian an der Fahrertür. Was für eine Frau. Faszinierend. Verstörend. Sie hatte seine Neugier geweckt. Er würde Karl morgen früh löchern. Wo hatte er sie kennengelernt? Was macht sie nachts in einem stillgelegten Klärwerk? Adrian wurde das Gefühl nicht los, die Frau schon irgendwo einmal gesehen zu haben.
Aus den oberirdischen Becken der Kläranlage stieg der süßliche Geruch von Verwestem in Adrians Nase. Wieder steuerte ein Jet mit tief heulenden Triebwerken über den Stadtwald Richtung Airport. Die Lichter des Airbus strahlten hell und klar in der dunklen Nacht. Über die Main-Neckar-Brücke schleppte sich scheppernd ein nicht enden wollender Güterzug Richtung Hauptbahnhof. Der plötzliche Lärm riss Adrian aus seinen Gedanken.
Ein letzter tiefer Zug. Dann schnippte er die Zigarette auf den Boden und trat hastig die Glut aus. Entschlossen griff er sein Handy und schob es in die linke Hosentasche. Er hatte sich entschieden, der Frau in die Unterwelt zu folgen.
7
Wie ein im Käfig eingesperrtes Raubtier tigerte Annika durch ihre Wohnung. Schlafzimmer, Küche, Wohnzimmer und wieder zurück. Sie würde Adrian nicht mehr anrufen. Das verbot ihr der Stolz.
So ging es nicht weiter. Jetzt war endgültig Schluss. Morgen würde sie ihm sagen, dass er seine Klamotten packen und verschwinden solle. Zum Glück hatte ihr Vater die Eigentumswohnung am Walter-von-Cronberg-Platz für sie gekauft. So blieb zumindest ihr der Umzug erspart.
Traurig schaute sie auf die Weseler Werft, wo sie Adrian im WM-Sommer 2006 beim Public Viewing kennengelernt hatte. Erneut liefen ihr bittere Tränen die Wangen hinunter. Mit Adrian würde es keine Zukunft geben. Der Gedanke stimmte sie zutiefst traurig.
Als sie nervös auf ihre Armbanduhr schaute, war es kurz vor elf. Morgen früh würde sie fürchterlich aussehen. Sie musste jetzt einfach zur Ruhe kommen.
Traurig trottete sie ins Bad, um sich die Reste ihrer verschmierten Wimperntusche abzuschminken. Wenn ich geduscht habe, schicke ich ihm eine letzte SMS, beschloss sie. Eine Chance soll er noch bekommen.
8
Als Adrian vorsichtig die Eisentür öffnete, fiel sein Blick auf eine hölzerne Wendeltreppe, die mindestens dreißig Stufen in
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