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Darling

Darling

Titel: Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Hartmann
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Scheinwerfer grell auf. Dann wurde es mit einem Knall schlagartig dunkel. Nur die Fackeln zuckten über die gespenstisch erleuchtete Szene.
    „Patricia? Patricia!!! Patricia, sag was!“ Der Ledermann schüttelte die Blondine, die leblos im Geschirr im Wasser hing.
    „Patriciaaaaaaaaa!“ Markerschütternd hallte sein verzweifelter Schrei durch das historische Gewölbe des Klärwerks.

11
    Annika schaute auf ihre Uhr. Er war jetzt elf. Noch immer hatte Adrian nicht zurückgerufen. Sie war fest entschlossen, sich jetzt Klarheit zu verschaffen.
    Energisch wickelte sie ihre nassen Haare mit einem Handtuch zum Turban und zog ihren Bademantel fest um die Schultern. Dann griff sie zum Handy und tippte die Wahlwiederholungstaste.

12
    Adrian spürte den Vibrationsalarm des Motorolas in seiner Jeans den Bruchteil einer Sekunde, bevor es klingelte. Hastignestelte er das Handy aus der Tasche und drückte auf Stumm. Doch es war zu spät. Laut und klar schallte der Klingelton durch das unterirdische Gewölbe. Für einen Moment traf ihn Claras fassungsloser Blick.
    „Halt, stehen bleiben! Er darf nicht entkommen!“ Hektisch fuchtelte Alexander Paul mit den Armen vor den beiden Kameramännern herum, während sich der völlig verstörte Lederhüne heftig zerrend an den Lederbändern zu schaffen machte, um das leblose Mädchen aus dem Aquarium zu befreien.
    Adrian stockte für eine Sekunde der Atem. Dann ergriff er die Flucht. Als er um die zweite Säule Richtung Wendeltreppe sprintete, spürte er, wie ihm das Motorola aus der Hosentasche glitt. Blechern schlitterte es am Boden entlang in die Dunkelheit. Adrian fluchte. Mit großen Schritten stürmte er die Wendeltreppe nach oben. Hart schlug ihm an der Eisentür die nasskalte Novembernacht entgegen.
    Adrian warf sich ins Auto, drückte intuitiv die Zentralverriegelung und startete den Motor. Ein heftiges Trommeln auf den Kofferraum ließ ihn abrupt Gas geben. Mit quietschenden Reifen pflügte das Taxi über die Grasnarbe neben den überirdischen Klärgruben. Plötzlich brach der Wagen aus, doch Adrian zwang den Mercedes zurück in die Spur und raste über das Gelände zum Haupttor. Wie schon bei der Einfahrt schwang die Schranke wie von Geisterhand bewegt nach oben. Ohne zu zögern, wendete Adrian über die durchgezogene weiße Linie der Lyoner Straße und raste trotz roter Ampel am Schwanheimer Ufer Richtung Autobahn. Spätestens dort würde er seine Verfolger abschütteln.
    Adrians Puls raste. Kaskadenartig schossen ihm die Bilder der Nacht durch den Kopf und formten immer wieder das eine Gesicht vor seinem inneren Auge: Clara.
    Erst das laute Hupen eines erbosten Lastwagenfahrers brachte ihn auf die Spur der regennassen Autobahn zurück. Erschrocken zog er das Taxi nach links. Langsam flachte sein Puls ab. Dann fädelte er den Wagen zügig im nächtlichen Verkehr Richtung Messe-Innenstadt ein.

13
    Tief in Gedanken versunken steuerte Adrian die FriedrichNaumann-Straße im Kuhwald an. Dort lebte Karl Blum.
    „Mein Dorf hinter der Messe“, sagte Karl nicht ohne Stolz über die beschauliche Siedlung. Hier hatten schon seine Mutter und seine Großmutter gelebt.
    1920 hatte Frankfurt angefangen, die Kuhwaldsiedlung nach den Plänen des Architekten und Städteplaners Ernst May anzulegen. Die Siedlung galt lange als Musterbeispiel für den Drang der Schützengrabengeneration, die nach dem Ersten Weltkrieg ein neues, anderes Deutschland schaffen wollte. Heute prägten kleine Straßen und gepflegte einoder zweigeschossige Wohnhäuser mit hübschen Vorgärten, Jägerzäunen und Gartenzwergen die idyllische Siedlung. Eingeklemmt zwischen Messegelände, Rangierbahnhof, Rebstockgelände und Theodor-Heuss-Allee, hatte der Kuhwald über Jahrzehnte seinen dörflichen Charakter in der Stadt, die durch immer neue Wolkenkratzer ständig ihr Profil veränderte, bewahrt.
    „Alles wohlgeordnet, alles überschaubar. Keiner geht verloren.“ So hatte Karl die Vorzüge der Kuhwaldsiedlung wortreich gelobt, als Adrian vor zwei Jahren auf Wohnungssuche gewesen war.
    Der Gedanke, sich unter die soziale Kontrolle freundlich ondulierter Nachbarinnen mit kleinen kläffenden Pinschern zu begeben, hatte in Adrian jedoch einen heftigen Abwehrreflex ausgelöst. Karl erzählte zwar immer voller Stolz, dass der Kuhwald im Juli 1909 einen riesigen Menschenauflauf erlebt hatte, als der erste Zeppelin planmäßig auf dem Rebstöcker Feld hinter der Siedlung gelandet war. Doch das war nun fast einhundert Jahre

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