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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giulia Enders
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Bakterienarten, die Mengen, die Dauer oder auch die Art der Einnahme waren oft völlig unterschiedlich. Mal waren die Studien erfolgreich, mal nicht. Darüber hinaus wusste niemand de facto, ob überhaupt genug der verabreichten Bakterien die Magensäure überlebten, um den Cholesterinspiegel zu beeinflussen.
    Wirklich schöne Studien gibt es erst seit wenigen Jahren. 2011 nahmen 114 Kanadier für eine Studie zwei Mal täglich speziell angefertigten Joghurt zu sich. Das beigefügte Bakterium war Lactobacillus reuteri – in einer besonders verdauungsresistenten Form. Innerhalb von sechs Wochen sank das schlechte LDL -Cholesterin durchschnittlich um 8 , 91 Prozent. Das ist etwa die Hälfte des Effekts, der durch die Einnahme eines milden Cholesterin-Medikaments erreicht wird – nur ohne Nebenwirkungen. In anderen Studien konnten mit anderen Bakterienstämmen Cholesterinwerte sogar um 11 bis 30 Prozent gesenkt werden. Es fehlen noch Folgestudien, um die erfolgreichen Ergebnisse zu überprüfen.
    Es gibt mehrere hundert Bakterienkandidaten, die man in Zukunft ausprobieren könnte. Um sie herauszufiltern, muss man sich fragen: Welche Fähigkeiten muss so ein Bakterium haben – oder besser gesagt: welche Gene? Der Hauptkandidat dafür sind zurzeit BSH -Gene. BSH steht für »Bile Salt Hydroxylase«. Das bedeutet: Bakterien mit diesen Genen können Gallensalze umbauen. Was haben Gallensalze mit Cholesterin zu tun? Die Antwort steckt im Namen. Cholesterin besteht aus den Wortbausteinen »Chol« für Galle und »stereos« für fest. Als man Cholesterin das erste Mal entdeckte, fand man es in Gallensteinen. Die Galle ist in unserem Körper das Transportmittel für Fette und Cholesterin. Durch BSH können Bakterien Galle so bearbeiten, dass sie schlechter funktioniert. Das gelöste Cholesterin und das Fett in der Galle werden bei der Verdauung dann auch nicht mehr aufgenommen und wandern, plump gesagt, ins Klo. Für Bakterien ist dieser Mechanismus hilfreich. Sie entkräften damit die Galle, die ihre Zellmembran angreifen kann, und schützen sich dadurch, bis sie es endlich in den Dickdarm geschafft haben. Es gibt aber auch noch eine Handvoll anderer Mechanismen, wie Bakterien mit Cholesterin umgehen: Sie können es direkt aufnehmen und in ihre eigenen Zellwände einbauen; sie können es zu einem neuen Stoff umwandeln oder Organe manipulieren, die Cholesterin herstellen. Das meiste Cholesterin wird in der Leber und im Darm hergestellt: Hier können kleine Botenstoffe von Bakterien die Arbeit mitregulieren.
    Jetzt sollte man ein bisschen vorsichtig sein und erst mal fragen: Will der Körper sein Cholesterin denn immer ausscheiden? Er stellt 70 bis 95 Prozent unseres Cholesterins selber her – und das ist viel Arbeit! Dank der einseitigen Medienpräsenz könnte man meinen, Cholesterin wäre per se schlecht. Das ist ziemlich falsch. Zu viel Cholesterin ist nicht so dufte, zu wenig aber auch nicht. Ohne Cholesterin hätten wir keine Sexualhormone, instabile Zellen und kein Vitamin D. Fett und Cholesterin ist nicht nur ein Thema für Oma Heide, die so gerne Törtchen und Würstle nascht. Es geht uns alle an. Zu wenig Cholesterin wird in Studien assoziiert mit Gedächtnisproblemen, Depression und aggressivem Verhalten.
    Cholesterin ist der fabelhafte Grundstoff, mit dem wichtige Dinge gebaut werden können. Zu viel davon ist tatsächlich schädlich – es kommt eben auf das richtige Gleichgewicht an. Unsere Bakterien wären nicht unsere Bakterien, wenn sie uns dabei nicht helfen könnten. Manche Bakterien stellen mehr sogenanntes Propionat her, das die Cholesterinbildung hemmt. Andere produzieren mehr Acetat , das die Cholesterinbildung antreibt.
    Hätten wir das gedacht? Dass wir in einem Kapitel, das mit kleinen, leuchtenden Bakterienpunkten anfängt, irgendwann bei Worten wie »Lust und Sattheit« oder »Cholesterin« ankommen? Ich fasse zusammen: Bakterien füttern uns mit, machen Stoffe verdaulicher und stellen eigene Stoffe her. Einige Wissenschaftler vertreten mittlerweile die Theorie, dass unsere Darm-Mikrobiota als ein Organ gesehen werden kann. Genauso wie die anderen Organe unseres Körpers hat es einen Ursprung, entwickelt sich mit uns, besteht aus einem Haufen Zellen und ist ständig verbunden mit seinen Organkollegen.

Übeltäter – schlechte Bakterien
und Parasiten
    Es gibt Gutes und Schlechtes in der Welt – auch in der unserer Mikroben. Das Schlechte hat meistens eine Gemeinsamkeit: Es will eigentlich nur das

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