Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
Beste … für sich selbst.
Salmonellen mit Hüten
Beim Aufschlagen von Eiern überkommt den mutigen Küchenpionier manchmal eine Art Urangst vor einer rohen Bedrohung: Salmonellen! Jeder kennt wohl eine oder zwei Personen, denen das nicht ganz durchgebratene Hähnchen oder das Naschen von rohem Teig unendliche Arien aus Durchfall und Erbrechen beschert hat.
Salmonellen können auf unerwarteten Wegen an unser Essen kommen. Einige gelangen zum Beispiel durch die Globalisierung an Hühnerfleisch und Eier. Das funktioniert so: Futtergetreide für Hühner bekommt man selten so günstig wie aus Afrika. Also lassen wir es einfliegen. In Afrika gibt es aber mehr freilaufende Schildkröten und Echsen als in Deutschland. Salmonellen reisen deshalb mit dem Getreide zusammen zu uns. Warum? Diese Bakterien sind normale Bestandteile der Darmflora bei Reptilien. Während also die Schildkröte entspannt ihren Haufen in das deutsch-outgesourcte Getreide setzt, ist der afrikanische Bauer schon auf dem Weg zum Ernten. Nach einer spannenden Flugreise mit atemberaubendem Ausblick kommt das Getreide samt Panzertierhäufchen-Bakterien in deutschen Zuchtbetrieben an und wird von einem hungrigen Huhn gegessen. Bei Hühnern sind Salmonellen nicht Bestandteil der natürlichen Darmflora, sondern oftmals Krankheitserreger.
So gelangen sie in den Darm der Tiere, können sich dort vermehren und werden dann vom Huhn ausgeschieden. Da Hühner nur ein Loch für jegliche Exportartikel aus ihrem Körper haben, kommt das Ei zwangsläufig mit den Salmonellen aus dem Hühnerkot in Kontakt. Deshalb sind Salmonellen zunächst nur auf der Schale von Eiern; sie kommen erst in ein Ei hinein, wenn die Schale irgendwo kaputt ist.
Aber wie kommen Salmonellen jetzt noch vom Darm in das Hühnerfleisch? Das ist eine unschöne Angelegenheit. Billig gefütterte Hühner werden in der Regel zu großen Schlachtbetrieben gefahren. Dort werden sie nach dem Töten und Entfernen des Kopfes durch große Wasserbecken gezogen. Diese Becken sind dann sozusagen Salmonellen-Wellness-Gebiet inklusive Darmeinlauf für das Huhn. In einem Betrieb, in dem täglich 200 000 Hühner geschlachtet werden, reicht eine Ladung Billigfutter-Hühner aus, um den Rest der Kollegen reich mit Salmonellen zu beschenken. Solche Hühner landen später gerne als günstige Tiefkühlware in Discountern. Wenn man sie schön heiß brät oder kocht, sind alle Salmonellen hinüber und können einem völlig egal sein.
Gut durchgegartes Fleisch ist in den meisten Fällen nicht der Grund einer Salmonelleninfektion. Problematisch wird es erst, wenn man das Tiefkühlhähnchen gemütlich im Spülbecken oder dem Salatsieb auftauen lässt. Bakterien lassen sich nämlich super einfrieren und dann wieder auftauen. Die riesige Bakterienbibliothek in unserem Labor besteht aus einer Sammlung kurioser Patientenkeime, die locker Temperaturen von – 80 °C überstanden hat und auch nach dem Auftauen fröhlich weiterlebt. Erst bei Hitze gehen sie kaputt – schon zehn Minuten bei 75 °C reichen aus, um alle Salmonellen auszuknocken. Deshalb wird einem auch nicht das aufmerksam durchgebratene Hähnchen zum Verhängnis, sondern der in derselben Spüle kurz abgelegte Salat.
Dass wir regelmäßig mit der Darmflora unserer Nutztiere in Kontakt kommen, merken wir also erst, wenn mal völlig fremde Durchfallbakterien dabei sind. Alles andere ist sozusagen Alltag, irgendwoher müssen wir unsere Bakterien ja auch beziehen. Wenn man brav bei ländlichen Bio-Eiern mit Futter aus eigenem Anbau bleibt, ist man tendenziell etwas sicherer vor gefährlicheren Bakterien – außer der Bauer selbst isst gerne Discounter-Huhn.
Hat es wirklich mal nicht hingehauen mit der Huhnzubereitung, essen wir nebst Hühnermuskelzellen auch noch ein paar Salmonellenzellen. Es braucht zwischen 10 000 und einer Million von diesen Einzellern, um uns außer Gefecht zu setzen. Eine Million dieser Bakterien sind so groß wie das Fünftel eines Salzkorns. Wie schafft dieses winzige Soldatenheer, uns als riesigen Koloss mit einem Volumen von etwa 600 000 000 Salzkörnern zur Kloschüssel zu bewegen? Das ist, als würde ein einzelnes Haar von Obama über alle Amerikaner regieren.
Salmonellen verdoppeln sich sehr viel schneller als Haare – das ist Punkt eins. Sobald Temperaturen von über 10 °C herrschen, erwacht die Salmonelle aus dem Winterschlaf und wächst fleißig. Sie hat viele filigrane Schwimmarme, mit denen sie umherfährt, bis sie
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