Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
schon. Unser Verdauungsschlauch kann sehr dankbar dafür sein, dass er ein so großes Volk mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten besitzt. Während einfache Glucose oder Fruchtzucker an sich noch gut verdaulich ist, machen viele Därme bei Laktose, also Milchzucker, schon schlapp. Ihre Besitzer leiden dann unter Laktose-Unverträglichkeit. Bei komplizierten pflanzlichen Kohlenhydraten wäre ein Darm völlig aufgeschmissen, müsste er für jedes davon das passende Aufspalte-Enzym parat haben. Unsere Mikroben sind Experten für diese Substanzen. Wir geben ihnen Unterkunft und Essensreste – und sie beschäftigen sich mit dem Kram, der zu kompliziert für uns ist.
Westliche Ernährung besteht zu 90 Prozent aus der Nahrung, die man isst, und zu 10 Prozent aus dem, was unsere Bakterien uns täglich füttern. Nach neun Mittagessen geht der nächste Hauptgang sozusagen aufs Haus. Erwachsenenfütterung ist eine Hauptbeschäftigung für manche unserer Bakterien. Dabei ist es überhaupt nicht egal, was wir essen – und auch nicht egal, welche Bakterien uns füttern. Anders formuliert: Wenn es um das Thema Gewicht geht, sollte man nicht nur an fette Kalorien denken, sondern auch an die Bakterienwelt, die immer mit am Essenstisch sitzt.
Wie können Bakterien dick machen?
Drei Hypothesen
1 .
Die Darmflora beinhaltet zu viele Moppelbakterien. Moppelbakterien sind effiziente Kohlenhydrat-Aufspalter. Nehmen die Moppelbakterien überhand, haben wir ein Problem. Schlanke Mäuse scheiden einen bestimmten Teil unverdaulicher Kalorien aus – ihre dicken Kollegen deutlich weniger. Ihre Moppel-Darmflora holt aus demselben Essen das letzte Fitzelchen heraus und füttert es frohgemut Herrn/Frau Maus. Auf den Menschen übertragen, kann das heißen: Manche kriegen lästige Fettpolster, obwohl sie nicht mehr essen als andere – ihre Darmflora holt eventuell einfach mehr aus dem Essen heraus.
Wie ist das möglich? Aus unverdaulichen Kohlenhydraten können Bakterien verschiedene Fettsäuren herstellen: gemüseliebende Bakterien machen eher Fettsäuren für Darm und Leber, andere Bakterien produzieren Fettsäuren, die auch noch den Rest unseres Körpers mitfüttern. Eine Banane kann deshalb weniger dick machen als ein halber Schokoriegel mit derselben Kalorienanzahl – pflanzliche Kohlenhydrate erregen eher die Aufmerksamkeit der Lokalversorger als die der Ganzkörper-Fütterer.
Bei Studien mit übergewichtigen Menschen hat man festgestellt, dass in ihrer Darmflora insgesamt weniger Vielfalt herrscht und bestimmte Bakteriengruppen überwiegen, die vor allem Kohlenhydrate verstoffwechseln. Damit man erfolgreich übergewichtig wird, müssen aber noch ein paar andere Faktoren gegeben sein. Bei Experimenten mit Labormäusen wogen einige 60 Prozent mehr als zu Beginn. So etwas schaffen »Fütterer« alleine nicht. Man zog deshalb einen anderen Marker für starkes Übergewicht heran: Entzündung.
2 .
Bei Problemen mit dem Stoffwechsel wie Übergewicht, Diabetes und hohen Blutfettwerten kann man meistens leicht erhöhte Entzündungsmarker im Blut finden. Die Werte sind nicht so hoch, dass man sie behandeln müsste wie etwa bei einer großen Wunde oder einer Blutvergiftung. Man nennt das Phänomen deshalb »subklinische Entzündung«. Wenn es jemanden gibt, der sich mit Entzündungen auskennt, dann Bakterien. Auf ihrer Oberfläche befindet sich ein Signalstoff, der dem Körper sagt: »Entzünde dich!«
Bei Wunden ist dieser Mechanismus hilfreich: Durch die Entzündung werden die Bakterien ausgeschwemmt und bekämpft. Solange Bakterien in ihrer Schleimhaut im Darm bleiben, interessiert der Signalstoff niemanden. Unter unguten Bakterienkombinationen und bei zu fettiger Nahrung kommt zu viel davon ins Blut. Unser Körper begibt sich in einen leichten Entzündungsmodus. Ein paar Fettreserven für harte Zeiten können da nicht schaden.
Signalstoffe der Bakterien können auch an anderen Organen andocken und den Stoffwechsel beeinflussen: In Nagetieren und Menschen binden sie an der Leber oder dem Fettgewebe selber und fördern, dass hier Fett eingelagert wird. Interessant ist auch die Wirkung an der Schilddrüse – bakterielle Entzündungsstoffe erschweren dort die Arbeit, so dass weniger Schilddrüsenhormone gebildet werden können. Dadurch wird die Fettverbrennung träger.
Anders als starke Infekte, die den Körper auszehren und dünner werden lassen, macht die subklinische Entzündung dick. Um dem Ganzen noch eins draufzusetzen: Nicht nur
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