Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
Fähigkeiten. Man kann sie nicht einfach in gut oder schlecht einteilen. Es hängt immer davon ab, was genau der Keim in uns treibt. Stellt er gefährliche Gifte her, oder interagiert er schützend mit unserem Körper? Wie reagieren wir auf den Keim? Sind unsere Zellen dauernd gereizt, oder stellen wir so viel Magenschleim her, dass er für das Bakterium und uns selbst reicht? Welche Rolle spielen Magenschleimhautreizer wie Schmerzmittel, Rauchen, Alkohol, Kaffee oder Dauerstress? Ist es die Kombination, die letztlich erst Magenbeschwerden auslöst, weil unser Haustier solche Sachen nicht mag?
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass man bei Magenproblemen gut beraten ist, sich des potentiellen Verursachers zu entledigen. Wenn in der Familie Magenkrebs, bestimmte Lymphome oder Parkinson vorkommen, sollte man Helicobacter ebenfalls ausladen.
Thor Heyerdahl starb 2003 im Alter von 88 Jahren in Italien. Ein paar Jahre später, und er hätte miterlebt, wie durch das Untersuchen von Helicobacter -Stämmen seine Theorie der Besiedlung von Polynesien bestätigt wurde: In zwei Wellen eroberten zwei asiatische Helicobacter -Stämme die Neue Welt – und zwar tatsächlich über die Südostasienroute. Seine Südamerika-These wurde damit allerdings noch nicht bewiesen. Aber wer weiß, welches Bakterium wir noch kennenlernen werden, bis Thor Heyerdahls Theorie auch auf mikrobiologischen Segeltouren abgefahren sein wird.
Toxoplasmen – angstlose Katzenpassagiere
Eine 32 -jährige Frau ritzt sich mit einer Rasierklinge aus dem Discounter einmal über die Innenseite ihres Handgelenks. Es ist dieser Reiz, der sie dazu bringt.
Ein fünfzigjähriger Rennautofanatiker rast volle Kanne gegen einen Baum. Er stirbt.
Eine Ratte legt sich in die Küche, direkt neben den Futternapf der Katze und drapiert sich als köstliche Mahlzeit.
Was haben die drei gemeinsam?
Sie hören nicht nur auf diese inneren Signale, die im Interesse unseres großen Zellverbandes eigentlich nur das Beste für uns wollen. Es gibt bei diesen drei noch andere Interessen als die ihrer eigenen Körper. Interessen, die irgendwann einmal aus einem Katzendarm gekommen sein könnten.
Katzendärme sind die Heimat für Toxoplasma gondii . Dieses winzige Wesen besteht aus nur einer einzigen Zelle, zählt aber schon zu den Tieren. Im Vergleich zu Bakterien fällt auf, dass die Erbinformation dieser Kreaturen wesentlich komplexer aufgebaut ist. Außerdem hat es andere Zellwände und vermutlich ein etwas aufregenderes Leben.
Toxoplasmen vermehren sich in Katzendärmen. Die Katze ist ihr »Wirt«, und alle anderen Tiere, die den Toxoplasmen nur eine kurze Zeit als Taxi zur nächsten Katze dienen, nennt man »Zwischenwirte«. Eine Katze kann nur einmal in ihrem Leben Toxoplasmen bekommen und ist auch nur während dieser Zeit gefährlich für uns. Ältere Katzen haben ihre Toxoplasmeninfektion meist schon hinter sich und können uns dann nichts mehr anhaben. Während einer frischen Infektion sind Toxoplasmen im Kot der Tiere und nach rund zwei Tagen in der Katzenbox herangereift und startklar für die nächste Katze. Kommt keine des Weges, sondern nur ein pflichtbewusst Kot schaufelndes Katzenbesitzer-Säugetier, nehmen die winzigen Urtierchen dann eben dieses. Die Tierchen aus dem Katzenkot können bis zu fünf Jahre auf einen neuen Wirt warten. Es muss also nicht unbedingt einen Katzenbesitzer treffen – Katzen und andere Tiere bewegen sich durch Gärten, Gemüsefelder oder werden ab und zu getötet. Eine der Hauptquellen, sich Toxoplasmen einzufangen, ist rohes Essen. Die Wahrscheinlichkeit, selbst Toxoplasmen zu haben, ist in Prozenten etwa so groß wie das eigene Lebensalter. Circa ein Drittel aller Menschen auf dieser Welt beherbergen sie.
Toxoplasma gondii zählen zu den Parasiten, weil sie nicht einfach irgendwo auf einem kleinen Stück Erde leben und Gewässer und Pflanzen anzapfen, sondern auf kleinen Stücken Lebewesen leben. Wir Menschen nennen das dann Parasiten, weil wir im Gegenzug nichts zurückbekommen. Zumindest nichts Positives im Sinne von Miete oder Zuneigung. Im Gegenteil: Sie können uns zum Teil schaden, indem sie eine Art »Menschen-Umweltverschmutzung« betreiben.
Sie haben bei erwachsenen, gesunden Menschen keine allzu großen Auswirkungen. Manche Menschen merken ein paar grippeartige Symptome, die meisten merken nichts. Toxoplasmen ziehen nach der akuten Infektion in winzige Apartments in unseren Geweben und begeben sich in eine Art
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