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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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Dreschtenne mit Schwingmaschine, eine Schmiedeesse , eine Kornmühle sowie eine gesunde Mischung aus Schweinen und Geflügel, die wie auf jedem englischen Bauernhof behaglich beieinanderlagen. Heute erstrecken sich dort saftige Blumenwiesen. Am Ende des Grundstücks erhebt sich eine mächtige Eiche, mutmaßlich die älteste Neuseelands, kurz vor Darwins Besuch dort eingesetzt. Sie hat die gesamte Geschichte des jungen Landes erlebt, das erst 1947 seine volle Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt.
    Darwins Gastgeber, drei Missionare und ihre Familien, leben die Tradition des »Ora et labora« vor. Sie bauen zusammen mit Einheimischen einen paradiesischen Garten auf, unterrichten sie in Werkstätten und Schulen. Die Botschaft der Bibel tut hier tatsächlich ihren Zweck bei der Befriedung einer kriegsmüden Bevölkerung. Zu Darwins Zeiten sind mehr als die Hälfte der Bewohner der Nordinsel ohne jeden Zwang »bekehrt«. Zivilisation wird als christliches Projekt vorgeführt, dessen Erfolge unübersehbar sind. Das alles ist ganz überraschend, wenn man bedenkt, dass noch fünf Jahre zuvor dort lediglich Farne wuchsen. … Nie habe ich eine hübschere oder fröhlichere Gruppe gesehen, und all das im Zentrum des Landes von Kannibalismus, Mord und allen grausigen Verbrechen!
    Nach allem, was Historiker uns vermitteln, hat er hier nicht übertrieben. Doch die Missionare haben ihren Traum auf Sand gebaut. Der Boden gibt auf Dauer nicht genug her. Schon 1840, nach nur zehn Jahren, wird die visionäre Siedlung wieder aufgegeben. Ich glaube, wir waren alle froh, Neuseeland hinter uns zu lassen, schreibt Darwin beim Abschied. Ich schaue auf einen Lichtblick zurück, und das ist Waimate mit seinen christlichen Bewohnern.
     
    Was hätte ein Darwin, wäre er als Feldforscher der kulturellen Evolution aufgebrochen, hier nicht alles sehen können. Die Szenerie im damaligen Neuseeland wirkt wie gemacht zur Fortsetzung von FitzRoys Experiment mit den Feuerländern. Innerhalb einer Generation krempeln ganze Populationen ihren Lebensstil um, verändern ihre Essgewohnheiten, vertrauen sich einem neuen Glaubensregime an und beginnen sogar die Alphabetisierung. Dabei bleiben sie biologisch so erfolgreich, dass sich ihre Bevölkerung in nur hundert Jahren verzehnfacht. Aber genetisch hat sich in den fünf Generationen nicht viel getan.
    Biologisch sind die Neuseeländer den Tahitianern äußerst ähnlich; beide gehören derselben Menschenfamilie an. Gleichwohl haben sie sich kulturell in tausend Jahren weit auseinanderentwickelt. Die einen kriegerisch wild, die anderen friedlich zivilisiert. So zumindest in Darwins Augen. Das Prinzip Insel mit geografischer Isolation wirkt in der kulturellen Evolution wie in der biologischen, jedoch ungleich schneller. Eine Ahnung davon haben die Deutschen bekommen, als sie nach kaum zwei Generationen Teilung bemerken, wie unterschiedlich sie bereits denken, und das trotz reichlicher Kontakte untereinander. Selbst manche Wörter bedeuten nicht mehr das Gleiche.
    Wird eine Population geteilt, um fortan in zwei unterschiedlichen Arealen zu leben, dann werden sich beide Gruppen selbst unter identischen Umweltbedingungen in verschiedene Richtungen entwickeln - wobei es durchaus zu Konvergenzen kommen kann. Erst auf lange Sicht machen sich die Unterschiede auch biologisch bemerkbar. Lebte die Menschheit ohne jeden Kontakt auf zwei Kontinenten, würde sie sich vermutlich irgendwann in zwei Arten aufteilen, ob in hunderttausend oder einer Million Jahren, weiß niemand.
    Die kulturelle Evolution erscheint im Rahmen der biologischen wie eine fortgesetzte Revolution. Ideen und Techniken können sich auch innerhalb einer Generation horizontal ausbreiten wie eine Infektion. In der biologischen Evolution dagegen verbreiten sich erfolgreiche Varianten vertikal durch die Generationen und damit ungleich langsamer. Auch wenn sich die Phänomene gleichen und hier wie da Variation und Selektion wirken: Die Prozesse sind grundsätzlich verschieden.
    Darwins blinder Fleck lässt ihn die Besonderheiten menschlicher Entwicklung über die biologische Evolution hinaus nicht erkennen. Liegt er noch goldrichtig, wenn er den Menschen als Tier unter Tieren, als Wirbeltier, Säugetier und Primaten einstuft und auch seine Herkunft aus Afrika vermutet, versagt seine Optik bei den ungleich schnelleren Abläufen der menschlichen Evolution jenseits der Biologie. Er glaubt, in heutigen Worten, dass kulturelle Unterschiede genetisch

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