Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Unter deren Bedingungen vertrauen sie ihren Vertragspartnern. Gut vier Jahre nach Darwins Besuch, am 6. Februar 1840, unterzeichnen William Hobson, der britische Gouverneur des Landes, und nach und nach über fünfhundert Häuptlinge den berühmten »Vertrag von Waitangi«.
Der Tag gilt als Geburtsstunde Neuseelands, Waitangi an der Bay of Islands als Geburtsort der Nation. Gouverneur Hobson sagt 1840 bei der feierlichen Unterzeichnung des Vertrags: »He iwi tahi tatou« - nun sind wir ein Volk. Nirgendwo sonst im Zangengriff europäischer Kolonialisierung hat sich jemals solch eine Szene zugetragen. Die erste Unterschrift auf dem Dokument lautet: Kawiti.
Doch die Sache geht nicht gut. Entgegen ihrem schriftlichen Versprechen nehmen sich die Eindringlinge mehr und mehr Land und führen sich auf wie die Herren einer Kolonie. Die Maori kennen weder Grundbesitz, noch akzeptieren sie Fremdherrschaft. Es kommt zu Schießereien. Clanchefs bemächtigen sich der britischen Fahne auf dem Flaggenhügel über Kororareka, dem heutigen Russel. Der neue britische Gouverneur schickt Truppen. Sein Name: Robert FitzRoy.
Der Kapitän hat nach gescheiterter politischer Karriere in England den undankbaren Posten angenommen, im Land der wilden Krieger die Interessen der Krone zu vertreten. Entschlossen, für - englische - Ordnung zu sorgen, lässt er sich auf einen Kampf ein, der dem Britischen Empire auf dem Höhepunkt seiner Macht die empfindlichsten Niederlagen bereiten und FitzRoy am Ende seine Demission einbringen wird. Der Gegner der Kolonialtruppen heißt Te Ruki Kawiti, der Urururgroßvater der Kassenfrau Manuwai.
»Kawiti hat seine Männer mit einem einzigen Satz motiviert«, sagt
George Wells, als wir vor dem Kassenhäuschen sitzen. »Er sagte ihnen: Das sind nur Menschen. Da wussten sie, dass sie siegen können.« Mehrere Male wiederholt sich das gleiche Spiel. Die Maori verschanzen sich in ihren »Pas«, raffiniert gebauten Festungen, die Engländer feuern aus allen Rohren. Doch nicht einmal mit schweren Haubitzen können sie ihre haushohe Überlegenheit durchsetzen. Dann passiert, wovor FitzRoy seine Leute eindringlich gewarnt hat: »Ihr werdet die Neuseeländer nie überraschen, aber sie euch häufig.« Der befehlende Oberst ändert die Taktik und lässt seine Truppen den Pa stürmen. Innerhalb von Minuten liegen einundvierzig tote Angreifer auf dem Boden, dreiundsiebzig weitere sind verwundet. Die Maori haben sich so geschickt hinter den Palisaden verteilt, dass ihre Gewehrkugeln aus allen Richtungen zu kommen scheinen.
Als die Engländer das Fort in der Schlacht von Ruapekapeka nach ausgiebigem Bombardement schließlich einnehmen, ist es leer. Kawiti hat sich mit seinen Leuten durch geheime Tunnel davongeschlichen und lässt danach ein noch viel raffinierteres Pa bauen. Mit geballter Feuerkraft schaffen es die Angreifer wiederum nicht, die neue Festung zu stürmen. Kawiti wird zum Helden seines Volkes. Er hat den Briten die Stirn geboten. Als die das Fort nach langer Belagerung endlich stürmen, haben die Verteidiger es schon wieder bereits verlassen. Die Besetzer finden Spuren einer neuen Kriegstechnik, die in das Arsenal aller Feldherren eingehen und im Ersten Weltkrieg zu trauriger Prominenz kommen wird: Schützengräben.
George Wells macht sich keine Illusion über das, was danach passiert ist. Während der »Neuseelandkriege« kommen Zehntausende Maori um. Ihre Zahl schrumpft zwischen 1820 und 1891 von 120 000 auf 44000. Die neuen Herren roden und rotten aus. Das Land bekommt sein heutiges Gesicht, grüne Hügel mit Millionen von Schafen, und aus der Mehrheit wird die Minderheit. Die Maori verlieren fast alles. Im 20. Jahrhundert geraten sie wie alle besiegten Kolonialvölker in den ewig gleichen Teufelkreis von mangelhafter Bildung, Kriminalität, häuslicher Gewalt, Alkohol und Drogen, Übergewicht und Verwahrlosung.
Diese Themen bestimmen die täglichen Schlagzeilen in den Zeitungen. Doch wer Neuseeland bereist, erlebt auch eine selbstbewusste, aufstrebende Minderheit, etwa dreizehn Prozent der gut vier
Millionen Bewohner, die sich gerade ihren Platz in der Gesellschaft zurückerkämpfen. Dabei hilft ihnen genau jenes Dokument, das ihre Vorfahren in weiser Voraussicht unterzeichnet haben: der Vertrag von Waitangi. Durch ihn können sie bis heute vor Gericht Ansprüche geltend machen.
Hunderte Millionen Dollar an Ausgleichszahlungen für illegale Landnahme sind bereits geflossen. Die Stämme verwalten ihr
Weitere Kostenlose Bücher