Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Devonport, sagt er, wo die Beagle im Dock lag, sei heute militärisches Sperrgebiet. Aber die Stelle in Barnett Pool, wo sie so lange vor Anker ihrer Abfahrt harrte, kenne er genau. Kein Passagier protestiert, als er auf dem Weg über den Sund, der Devon von Cornwall trennt, einen Umweg macht, um mir den damaligen Liegeplatz der Brigg zu zeigen. Steuerbord liegt Plymouth mit seinen Promenaden und weißen Fassaden, den Jachthäfen und der alten Marinekaserne, die gerade in eine Anlage mit Bars, Lofts und Luxusapartments umgebaut wird. Vor uns das grüne Hügelland von Cornwall, und backbord hinter der Einfahrt zur Bucht, lockend und bedrohlich, die offene See. Von hier geht es grenzenlos in alle Welt.
»Damals der beste Startpunkt für Schiffe«, erklärt der Kapitän und steuert gefährlich schnell auf den Kiesstrand von Barnett Pool zu. »Kein Problem.« Er zeigt auf den Monitor seines Echolotgeräts. Das Ufer fällt fast senkrecht auf vierzig Meter Tiefe ab. Erst kurz vor dem Strand dreht er bei. »Das ist eine der besten Stellen, um auf das richtige Wetter zu warten. Von hier kann man fast an Land hüpfen. Ein
paar Ruderschläge nur, das ist alles.« Kaum Dünung, nur ein leichtes Lüftchen weht im Windschutz der Küste.
Noch nächtigt Darwin an Land. Seine Ungeduld wächst mit jedem Tag. 30. November: Alle meine Gedanken drehen sich um die Zukunft, und nur mit größter Schwierigkeit kann ich über ein anderes Thema reden oder nachdenken . 4. Dezember: Ich schreibe dies erstmals an Bord, es ist nun etwa ein Uhr, und ich beabsichtige, in meiner Hängematte zu schlafen . Dann, nach wochenlangem Ausharren, macht sich erstmals eine Spur von Missmut breit. 5. Dezember: Seit Mittag bläst ein schwerer Sturm aus Süden und vielleicht werden wir den Hafen nicht verlassen können. … Ich kehrte sehr verzweifelt nach Hause zurück, beabsichtige aber, mir noch ein letztes Mal das Schlafen in einem sicheren festen Bett zu gönnen . 7. Dezember: Es wird von Tag zu Tag ermüdender, so lange im Hafen zu bleiben …
Am 10. Dezember soll es endlich losgehen. Um 9 Uhr holten wir unsere Anker ein und segelten kurz nach 10 los … wir hatten eine angenehme Fahrt, bis wir den Wellenbrecher umschifften … wo mein Elend begann. Mir ging es bald ziemlich schlecht, und in dem Zustand blieb ich bis zum Abend. … Ich litt entsetzlichst; solch eine Nacht habe ich noch nie verbracht, allenthalben nichts als Qualen . 11. Dezember: Es ging so weiter bis Sonntagmorgen, als beschlossen wurde, nach Plymouth zurückzukehren und dort bis zu einem günstigeren Wind zu bleiben .
In der Zange zwischen lähmendem Warten und der niederschmetternden Vorstellung der Fahrt auf See macht er sich am selben Tag Mut gegen die wachsende Verzweiflung. Nachdem ich nun so viel Zeit hatte, mir meine Meinung zu bilden, bin ich sicher, dass es recht war, das Angebot anzunehmen; dennoch halte ich es für fragwürdig, wie weit es zum Lebensglück beitragen wird. - Falls ich gesund bleibe und heimkehre und dann noch die mentale Stärke besitze, mich ruhig im Leben einzurichten, wird mein jetziger und künftiger Einsatz an Verdruss und an Wunsch nach Bequemlichkeit reichlich belohnt werden. 13. Dezember: Die grundsätzlichen Ziele sind 1. Sammeln, beobachten und lesen in allen Zweigen der Naturgeschichte, die ich irgendwie bewältigen kann. … Wenn ich nicht genug Energie aufbringe, mich selber während der Reise ständig zum Fleiß zu bewegen, welch großartige und außergewöhnliche Gelegenheit mich zu bessern würde ich wegwerfen. - Möge ich dies niemals auch nur einen Augenblick lang vergessen, dann habe ich vielleicht noch einmal die Chance, meinen Geist zu schärfen, die ich wegwarf, während ich in Cambridge war.
Womöglich hätte Darwin keinen heilsameren Schock erleben können als dieses zermürbende Vorspiel zur Reise seines Lebens. Sollte anfangs noch sein jungenhafter Leichtsinn im Spiel gewesen sein, so blasen ihm jetzt die Unrast des Geistes und das Elend seines Körpers alle Flausen aus dem Kopf. Zum ersten Mal fühlt der junge Mann so etwas wie Pflicht - und übernimmt Verantwortung, für sich und für die eigene Existenz. Nach all der Unentschiedenheit, den vergebenen Chancen, vergeudeten Jahren und Enttäuschungen für seinen Vater weiß er nun, dass er aus diesem Lebensgeschenk das Beste machen muss - wie ein guter Kartenspieler das Blatt erkennt, das so nie wiederkommt. In diesem Moment muss er sich selbst versprochen haben, dass sich der
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