Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Eimer aus zusammengenähter Rinde. In Blasen und anderen innere Organen verschiedener Tiere bewahren sie Öle und Pigmentpulver auf. Die Fertigkeit des Feuermachens selbst unter Sintflutbedingungen haben sie zur Perfektion entwickelt. Kleidung oder Felle würden im Dauerregen schnell zum Ballast. Daher haben sie ein anderes Verfahren entwickelt, sich gegen die Kälte zu schützen: Sie schmieren sich dick mit Tierfett ein.
Das alles lässt sich bei Trockenübungen im Warmen erfahren, durch Lektüre von Büchern, Besuche in Museen, Gespräche mit Forschern. Aber erst in Wulaia bekomme ich eine Ahnung, was es tatsächlich bedeutet haben muss, hier Jahrtausende als Nomaden durchzuhalten. Ich beschloss zu versuchen, ein Stück weit in die Landschaft einzudringen. Gleich hinter dem flachen Rasenstück beginnt das feuchte Dickicht. Im Wald ist der Boden von einer Masse langsam faulender Pflanzenstoffe verborgen, welche, da sie mit Wasser vollgesogen ist, beim Gehen nachgibt. Wer je das Wort »knietief« benutzt hat, sollte sich vorsehen. Hier trifft es wortwörtlich zu. Für mich fast das Ende meiner Exkursion, weil ich nicht mehr weiterkomme, für die Yámana nur ein winziges Detail in ihrem Kampf ums Dasein. Da ich es nahezu aussichtslos fand, mich durch den Wald zu schlagen, folgte ich einem Gebirgsbach. Unglaublich dichte Vegetation. Ich war gezwungen, auf meinen Knien zu kriechen.
Eine Lichtung öffnet sich, plötzlich ein Blick, der charakteristisch ist für Feuerland: unregelmäßige Hügelketten, mit Schneefeldern gefleckt … und Meeresarme, die das Land in vielen Richtungen zerschnitten. Sanft steigen fette Wiesen an bis zum Rand der Wälder, die wie schwere Teppiche auf den steilen Bergen liegen.
Mit Ausnahme einiger Beeren, hauptsächlich des Zwerg-Erdbeerbaums, und ein paar Pilzen, Rinde und Holz ist hier nicht viel zu holen. Ein Garten Eden sieht anders aus. Die verschlungene Masse der gedeihenden und gefallenen Bäume erinnerte mich an die Wälder in den Tropen - doch einen Unterschied gab es: Denn in dieser stillen Einsamkeit erschien als vorherrschender Geist nicht das Leben, sondern der Tod. Und doch bietet die Natur eine Vitaminquelle, die es sonst nirgendwo gibt: Ein kugelförmiger, hellgelber Pilz, der in großer Zahl an den Buchen wächst.
Das Gewächs lässt sich pflücken wie eine reife Frucht und beißen wie ein fester Pfirsich. Er hat einen schleimigen, leicht süßlichen Geschmack und riecht schwach nach Champignon. Der Pilz gehört einer neuen und merkwürdigen Gattung an und wird nach seinem Entdecker CYTTARIA DARWINII genannt. Jetzt Darwin auch schon im Bauch. Doch davon wird kein Mensch auf Dauer satt. Ihre Hauptnahrung holen sich die Yámana aus dem Wasser: Seeigel, Krebse, Fische und als verlässlichste Quelle Muscheln. Sobald Niedrigwasser einsetzt, sammeln die Frauen die Muschelbänke ab. Sind sie abgegrast, zieht die Familie weiter und lässt Berge von Schalen zurück.
Schlammverschmiert erreiche ich das Wasser. Ich gehe den Strand entlang, bis ich vom Boot aus nicht mehr zu sehen bin. Einmal möchte ich fühlen, wie weit die Anpassung gegangen ist. Wenn es hart auf hart kam, sind die Yámana getaucht, um in der artenreichen Unterwasserwelt der Braunalgen nach Meeresfrüchten zu suchen. Ich habe eigens meine Schwimmbrille dabei.
Kaum etwas auf der gesamten Reise beschreibt Darwin so begeistert wie diese Braunalgen-Wälder aus Kelp oder MACROCYSTIS PYRI-FERA … Ich kenne wenige Dinge, die so überraschend sind wie der Anblick dieser Pflanze, die inmitten der großen Brecher des westlichen Ozeans wächst und gedeiht. Die Pflanzen krallen sich am Grund auf Steinen fest, sorgen mit luftgefüllten Säcken für Auftrieb bis unter die Oberfläche und können im Extremfall einen Kilometer lang werden. Während oben im feuchten Buchenwald eher Armut an Arten herrscht, könnte man einen dicken Band verfassen, nur um die Bewohner eines dieser Seetangfelder zu beschreiben. … Ich kann diese großen Wasserwälder der südlichen Hemisphäre nur mit jenen an Land in den intertropischen Regionen vergleichen.
Als die Sonne durch die Wolken bricht und das Kelpgeflecht schillern lässt, gebe ich mir einen Ruck. Kaum sind die Kleider vom Leib, tauche ich kopfüber zwischen die wehenden Wedel. Fünf Grad Celsius. Ein Schmerz wie ein Schlag. Dann eine Glut, die alles durchfährt. Gleich darauf ein Gefühl, als hätte man sein Gefühl verloren. Ein paar Sekunden schweben wie betäubt, atemlos. Fische
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