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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Neffe
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wird er Mitglied in der erlauchten Bruderschaft der Kaphoornianer, der man nur durch Taten beitreten kann.
    Ein wenig von dem alten Glanz erhoffen sich die Pauschal-Kaphoornisten. Ein Ingenieur aus Luxemburg feiert seinen 61. Geburtstag. Nur für diesen Moment habe er die ganze Reise unternommen. Er ist zu Tränen gerührt. »Das bedeutet mir mehr als ein Sechser im Lotto.« Daheim hat er einen Film über die Poststation hier unten gesehen. Seitdem träumt er von der jungen Frau mit dem Stempel. Als er vor ihr steht, bringt er keinen Ton heraus.
    Ein Jahr lang versehen Veronica und Carlos Roberto ihre Pflicht am Rande der Welt. Tage wie diese mit Gästen sind selten. Im Südwinter mit seinen langen Nächten werden sie monatelang allein mit sich und ihren drei Kindern auskommen müssen. Das Stempeln sehen sie nur als Nebenjob. Offiziell versieht der Soldat hier das Amt des Bürgermeisters. Die Gemeinde umfasst genau ihn und seine Familie. Wir sind in Chile. In Darwins Tagen gehörte dieses Land noch niemandem.
    In der kleinen Capilla Stella Maris, einer aus rohen Baumstämmen errichteten Kapelle gleich neben dem restaurierten Leuchtturm, erinnert ein blumengeschmücktes Foto an den letzten Papst: »Juan Pablo II, Botschafter des Lebens, Pilger des Friedens.« Sie feiern ihn, weil er Weihnachten 1978 einen drohenden Krieg zwischen Chile und Argentinien verhindert hat.
    »Operation Souveränität« nennt die Junta in Buenos Aires damals ihre Aktion. Die Generäle wollen die Schwäche des international isolierten Diktators Pinochet ausnutzen und die durchweg unbewohnten Inseln zwischen Beagle-Kanal und Kap Hoorn erobern. Sie haben bereits den Befehl zur Invasion gegeben. Sturm und hoher Seegang verhindern den Angriff. So hat das schlechte Wetter auch was Gutes. Unter den Machthabern kursieren bereits Pläne, später ganz Chile unter ihre Herrschaft zu bringen. Da greift der Pole im Vatikan zum Telefon und erklärt - so will es die Legende - den katholischen Kommissköpfen, Weihnachten sei das Fest des Friedens. Der Krieg fällt aus, Chile behält die Südspitze des Kontinents, verstärkt seine Militärpräsenz und dankt dem Papst. Die beiden Länder aber pflegen bis heute eine herzliche gegenseitige Abneigung.

    Nachdem die Bremen wieder in ihrem Zielhafen, dem argentinischen Ushuaia, eingelaufen ist, will ich wie üblich gesammelte Unterlagen und Sicherheitskopien nach Hause schicken. Doch die Post verweigert die Annahme von Paketen, die Datenträger enthalten. Der Inhalt wird zudem auf Landkartenmaterial und verdächtige Schriften überprüft. Jedes einzelne Blatt Papier nimmt die Angestellte in die Hand. Bis mir der Kragen platzt. »Sagen Sie mal: Wo leben Sie eigentlich?« - »In einem militärischen Sondergebiet.« - »Im Hotel gibt es drahtloses Internet. Da kann man Daten ohne Kontrolle verschicken.« - »Bitte, dann tun Sie es. Dafür bin ich nicht zuständig.«
    Damit sich trotz des unsäglichen Wetters Menschen hier ansiedeln, herrscht in der Stadt Steuerfreiheit. Über sechzigtausend bevölkern bereits den weiten Hang, der immer weiter abgeholzt wird. Illegale Landnahmen werden großzügig geduldet. Es geht um Präsenz.
    Im kleinen Maßstab machen die Chilenen auf der anderen Seite des Beagle-Kanals nichts anderes. Puerto Williams ist in wenigen Jahren auf rund zweieinhalbtausend Einwohner angewachsen, zur Hälfte Militärangehörige. Damit hat es sich von Ushuaia den Titel der »südlichsten Stadt der Welt« erobert. Nun holt das Nest mit seinen Schlammstraßen, Pfützen und feuchtkalten Häusern zum nächsten Schlag aus: Es will die erste Stadt in Südamerika werden, die sich flächendeckend mit kabellosem Internet versorgt.
    Beide Länder haben jetzt eine Präsidentin. Wäre es nicht eine feine Geste, wenn sich die beiden Frauen am Kap Hoorn träfen und das Erbe ihrer Diktaturen vor aller Welt mit einem Händedruck überwänden? »Imposible«, tönt es mir auf beiden Seiten entgegen. Selbst ein Professor an der Uni von Ushuaia stimmt ein. »Die Wissenschaft ist international«, sagt der Anthropologe Jorge Rabassa. Er beschäftigt sich mit der Kultur der Yámana und ist bei seinen Ausgrabungen auf sechstausend Jahre alte Spuren gestoßen. »Aber Wissenschaftler haben Nationalitäten.« Wenn er »drüben« arbeitet, wird er auf Schritt und Tritt drangsaliert. Das Gleiche hört man dort.
     
    Puerto Williams liegt auf der Insel Navarino, wo FitzRoy seine feuerländischen Gefangenen ausgesetzt hat. Ein Jahr

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