Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
Evolutionärer Wandel setzt die feste Verankerung von Erbgutveränderung(en) im Genpool der Population voraus. Die positive Merkmalsausprägung bei einem Individuum reicht nicht aus. Der einzelne Fink, der durch eine den Schnabel verlängernde Mutation besser an Nahrung gelangt, zieht einen persönlichen Nutzen daraus. Ist er jedoch impotent, kann auch die gnädigste Selektion nichts für seine Artgenossen tun. Der Schnabelbonus verpufft, evolutionär passiert nichts.
Wald? - Ich sehe nur Bäume! Evolution? - Ich sehe nur Entwicklung!
Das ganze Konstrukt, mit dem die Darwin-Gegner ihre Kritik aufziehen, lässt sich in wenigen Sätzen beschreiben. Ausgehend von der zutreffenden Beobachtung, dass es in der Natur keine Kriegsszenarien nach menschlichem Vorbild gibt, wird eine irrige Argumentationskette gebastelt. Demnach sei Darwins Modell falsch, da es Krieg zum alles entscheidenden Evolutionsfaktor erhebe, der die Selektion als Zielfernrohr für Vernichtung und als Unterdrücker von Harmonie und Ästhetik nutze. Mit diesem Instrumentarium würden zufällig mit rücksichtsloser Mördermentalität ausgestattete Individuen zu Fitnesskönigen gekürt, die dann als Symbol des Fortschritts zu gelten hätten. Fitness würde demnach auf die Fähigkeit und Bereitschaft zum Einsatz körperlicher Gewalt sowie zu Rücksichtslosigkeit in jeglicher Form reduziert. Das heutige, wider besseren Wissens praktizierte Festhalten am Darwinismus, das „Darwin-Komplott“, beruhe vor allem auf dem Bestreben, das globale naturfeindliche Fehlverhalten des Menschen zu rechtfertigen. All seine die Umwelt zerstörenden Machenschaften ließen sich durch das darwinistische Denkschema decken, der stärkste Krieger sein zu müssen, dem Kooperationen nur im Wege ständen.
Dies alles geht nach Meinung der Kritiker aus der Theorie des „
survival of the fittest
“ hervor. Ihre ganze Argumentation stützt sich somit auf die banale Taktik, Darwins Definition des Überlebenskampfes durch eine völlig realitätsferne Verrohungsvariante zu ersetzen, die man dann auch noch als Originalaussage des Evolutionsprotagonisten präsentiert. Die wenigen, aber prägenden Eckpfeiler des Abstammungsmodells werden komplett verdreht. Ein rezenter Darwin würde die Kritiker schnell mit einer Klarstellung verstummen lassen. Überlebenskampf ist kein mörderischer Vernichtungskrieg, Auslese keine unidirektionale Hinrichtungsmaschinerie, Anpassungsqualität (Fitness) misst sich nicht am Grad der Tötungsfähigkeit und ist nur in Relation zur speziellen ökologischen Nische zu bemessen. Daher kann sich die Anpassungsgüte auch ohne Merkmalsvariationen ändern, wenn sich die Milieubedingungen wandeln. Der Einfluss des Zufalls beschränkt sich auf die primäre Produktionsebene (Mutation, Rekombination). Evolution ist keine Lotterie und vollzieht sich via langfristiger Akkumulation minimaler Positivveränderungen innerhalb von Populationen, nicht am Einzelindividuum. Mit dieser Klarstellung verkümmert die ganz Anti-Darwin-Kampagne zu einer Luftblase, die zielgenau auf eine Reißzwecke zusteuert.
Ein weiterer Blindgänger der Gegenbewegung ist regelrecht hanebüchen. Man beschreibt in feinsten Zügen anschauliche Beispiele für das wunderbare Wirken der natürlichen Auslese, weigert sich dann aber, dies als Selektion anzuerkennen. Oder sollte es wirklich an der Einsichtsfähigkeit liegen? – Kaum vorstellbar. Hier ein kleines Exempel: Darwins Grundaussage, dass die Überproduktion von Nachkommen eine Konkurrenz um Ressourcen induziere, in welcher der Fitnessgrad über die Höhe der weiteren Karriereleiter entscheidet, wirkt in den Augen der Kritiker wie ein rotes Tuch. Dass dieser Überlebenskampf auch den Tod von Schwachen mit einschließt und Darwin sich in seinen Überlegungen zumindest marginal von den gesellschaftsökonomischen Arbeiten Thomas Robert Malthus’ inspirieren ließ, wurde bereits hinlänglich diskutiert. Nun kommen Darwins Kritiker mit der Forderung, dass es zur Eindämmung der Bevölkerungsexplosion gar keines Überlebenskampfes (natürlich wieder im Sinne eines Vernichtungskrieges) und keiner Selektion (im Sinne eines Individuenschafotts) bedürfe. Im Hinblick auf die Fehldefinitionen wird hier jeder Darwinist zustimmen, dass Krieg und Scharfrichterei überflüssig sind. Sie sind aber auch gar keine Bestandteile des Evolutionsmodells. Die Kritiker meinen, Darwin habe völlig verkannt, dass es natürliche Mechanismen der Geburtenkontrolle und
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