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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tectum Wissenschaftsverlag Marburg
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einmal wiedergekäut werden. Hier interessiert nur, dass die Kritiker einen ganzen Katalog dieser natürlichen Kontrollmechanismen parat haben. Wie diese sich ihrer Meinung nach entwickelt haben könnten, behalten die Damen und Herren aber für sich – es gibt sie halt. Nun folgt Schritt 2 der ausgefeilten Taktik: Nachdem jetzt jeder weiß, unter Anwendung welcher Methoden die Natur der übermäßigen Nachwuchsproduktion Herr wird, folgt die lapidare Erklärung, dass es ja in Wahrheit gar keiner großartigen Selbstbeschränkung bedürfe. Das Problem der Bevölkerungsexplosion sei nämlich gar nicht existent, sondern ein reines Artefakt des Gespanns Charles Darwin und Thomas R. Malthus. Elefanten etwa haben aufgrund ihrer physischen Konstitution – hohe Intelligenz und ein ausgeprägtes Sozialverhalten kommen verstärkend hinzu – kaum natürliche Feinde zu fürchten. Dies verleitet die Kritiker zu folgender These: Hätte Darwin recht mit seiner Behauptung einer natürlichen Überproduktion von Nachkommen, so müssten die robusten Rüsselträger ihren Fitnessvorteil gnadenlos im Überlebenskampf ausspielen und die Welt im Sinne der Nachwuchsmaximierung mit einer Flut von „Minitrompetern“ überschwemmen. Aber was tun die sensiblen Dickhäuter? Statt zügelloser Sexorgien geht Jumbo sehr sparsam mit seinen Geschlechtszellen um. Im Schnitt bringt eine Elefantenkuh nur alle vier bis fünf Jahre ein Junges zur Welt – in Mangelzeiten kann sich dieses Intervall sogar verdoppeln. Insgesamt bringt sie es zeitlebens auf maximal acht Schwangerschaften. Zudem sind Tragedauer (22 Monate) und Juvenilstadium (12 bis 18 Jahre bis zur Geschlechtsreife) außerordentlich lang. Überdies halten sich auch die Bullen in Jahren mit geringem Nahrungsangebot sexuell zurück – vielleicht ein weiteres Zeichen ihrer Intelligenz. Wer im Überlebenskampf Nachwuchsmaximierung als Hochziel vor Augen hat, entwickelt andere Mechanismen – so die Auffassung der Kritiker. Hierzu ist zunächst einmal anzumerken, dass Darwin nie eine bacchantische Vermehrung als Zielvorgabe für das
struggle for life
definiert hat, sondern lediglich wertfrei seine Beobachtung wiedergab, dass ein primärer Nachwuchsüberschuss überall in der Natur anzutreffen ist. Aber unabhängig davon ist nach Kritikermeinung Darwins Überlebenskampf ein völlig überflüssiges Konstrukt, da in Wahrheit ein solcher Kampf gar nicht stattfände. Das Vorbild der Elefanten zeige ja, wie mit ganz friedlichen Methoden der Selbstbeschränkung das Bevölkerungswachstum in der Natur geregelt werde. Das ist ohne Zweifel richtig. Doch noch einmal die Gegenfrage: „Wie sind diese Mechanismen denn entstanden?“ Kein Wort dazu von den Anti-Darwinisten Sie unterliegen einer groben gedanklichen Täuschung, wenn sie keinen Zusammenhang zwischen dem Überlebenskampf und dem Wirken von natürlicher Nachkommenbeschränkung erkennen können. Die Selbstkontrollmechanismen sind keine Alternative zum Überlebenskampf, sondern Produkte der Evolution, die nach den Regeln von Variation und Auslese optimiert wurden. Nur weil die Selektion die Eindämmung der NachkommenÜberproduktion als vorteilhaft für das biologische Gesamtgefüge bewertet hat, konnten stabile Populationen entstehen, die Probleme wie Nahrungsversorgung, Wohnraum etc. elegant zu meistern in der Lage sind. Hemmungslose „Rammelei“ hätte via Ressourcenverknappung einen suizidalen Reboundeffekt. Da ist die Lösung der evolutionären Selbstkontrolle erheblich seriöser.
    Anders sieht es bei körperlich schwachen Spezies aus, die ihre Opferrolle in einer Nahrungskette nur durch hohe Nachkommenzahlen kompensieren können. Hier erhält die Fähigkeit, vertilgte Artgenossen schnell und zahlreich genug ersetzen zu können, auf der Selektionsskala eine hohe, das Überleben sichernde Benotung. Ein anschauliches Beispiel findet sich unter den artenreichen Schildkröten. Einige kleine unscheinbare Landschildkröten bringen pro Gelege nur ein einziges Ei zur Bebrütung. Aufgrund ihrer geschützten unauffälligen Lebensweise reicht eine niedrige Nachwuchszahl zur Sicherung des Arterhaltes. Dagegen legen manche Meeresschildkrötenarten bis zu 200 Eier. Die Ablage erfolgt auch bei Meeresschildkröten prinzipiell an Land. Die kleinen Schlüpflinge sind auf ihrem Weg zum Meer extrem gefährdet, von Fressfeinden – vor allem Seevögeln – erbeutet zu werden. Bisweilen erreichen nur zehn Prozent das vermeintlich rettende Wasser. Hier lauern

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