Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
Zugehörigkeitsstreitereien den Boden entziehen.
Materialistische Gene – kein Platz für soziales Verhalten?
Die Frage, warum die Darwin-Opposition von ihrer Kriegsinterpretation des Überlebenskampfes partout nicht ablassen will, lässt sich auch mit größter Konzilianz nicht beantworten. Der Vorwurf, die in der Natur so mannigfach anzutreffenden harmonischen Koexistenzen, soziale Verhaltensweisen allgemein bis hin zu Formen der altruistischen Selbstaufopferung, wären mit dem Evolutionsmodell nicht vereinbar, steht in direkter Konsequenz dieser Kriegsirritation. Ein globales Naturschlachtfeld, auf dem sich einzig egoistische Einzelkämpfer auf Leben und Tod befehden, ist wahrlich kein Platz für Kooperation und Ausbildung von Sozialstrukturen. Solange die Anti-Darwinisten nicht bereit sind, von ihrem Trugschluss eines auf Vernichtung basierenden Evolutionsmodells abzulassen, versperren sie sich selbst den Zugang zum Verständnis der Entwicklung sozialen Verhaltens nach den von Darwin beschriebenen Mechanismen.
Bei der Beschäftigung mit dem überaus komplexen Gebilde sozialer Verhaltensweisen unterläuft den Kritikern ein weiterer grundlegender Fehler, von dem nur schwer zu glauben ist, dass er auf unzureichender Genetik-Kenntnis beruht. Im Bemühen des Autors, wo immer es möglich ist, gedankliche Übereinstimmungen zwischen Darwinisten und ihren Kritikern aufzuzeigen, soll doch ein Positivum Betonung finden. Die enorme Bedeutung von organisiertem Miteinander mit Bündelung der Stärken, Schutz der Schwächeren und auch von zwischenartlichen Allianzen für die Ausbildung stabiler Biozönosen (Lebensgemeinschaften) wird von beiden Parteien hervorgehoben. Eigentlich herrscht Einigkeit über ein insgesamt von Harmonie dominiertes Naturbild, in dem aber auch tödliche Härten, mit Ausnahme des Menschen jedoch keine Grausamkeiten, ihren festen Platz einnehmen. Nur leider schlagen die Kritiker diese ausgestreckte Hand aus, wollen die zarte Übereinstimmung im Geiste nicht akzeptieren. Für sie bleibt jeder Darwinist ein „Kriegsberichterstatter“. Dass auch soziale Verhaltensweisen aus dem Wechselspiel von genetisch angelegten Vorgaben und deren Selektion entwickelt werden, will die Gegnerschaft nicht als darwinistisches Prinzip anerkennen. Tatsache aber ist: Nach den Grundsätzen des Evolutionsmodells gestaltet sich die Optimierung des harmonischen Miteinanders ebenso kompetitiv wie die Verbesserung von Jagd- und Fluchtstrategien in Tötung involvierenden Räuber-Beute-Beziehungen. Vom Mechanismus her gibt es keinen Unterschied zwischen der Entwicklung des Mit- und des Gegeneinanders. Der Überlebens- oder besser Konkurrenzkampf ist kein Exklusivszenario für konfrontative Verhaltensweisen. Bündnisvarianten müssen sich in gleicher Weise gegen Mitkonkurrenten behaupten wie (fress)feindschaftliche Strategien.
Vereinfacht ausgedrückt lässt sich sagen, die Kritiker lehnen eine genetische Prädisposition sozialer Verhaltensstrukturen und den selektiven Wettbewerb der dazugehörenden Phänotypen (Verhaltensausprägung) ab. Die Begründung ist die alte Leier, wonach im Evolutionsmodell ja Konkurrenz stets mit körperlicher Gewalt gleichzusetzen sei, die Gene quasi auf Krieg programmiert wären, und das sei mit der Entwicklung jedweder Form harmonischer Verhaltensmuster nicht vereinbar. „Kriegerische Gene“ könnten schließlich kein Lebewesen dazu veranlassen, ein anderes zu unterstützen. Somit sei die Genetik hier außen vor. Als Antrieb für gegenseitigen Beistand sehen die Kritiker durchaus den individuellen Eigennutz. Dem Einzelorganismus gehe es primär um Stärkung der eigenen Position – natürlich nicht berechnend, sondern rein instinktiv. Nach dem Prinzip „Eigennutz stärkt Gemeinwohl“ käme das der Allgemeinheit dann zugute. Klingt sehr nach heiler Welt, doch steckt durchaus viel Wahres in diesem Ansatz. Interessanterweise akzeptieren die Darwin-Gegner hier sogar eine Portion Egoismus – wenn er denn nur allen zum Vorteil genüge und damit zum Altruismus mutiert. Wie dem auch sei, ein Widerspruch zum Evolutionsgedanken ist hier nicht zu erkennen. Es geht den Kritikern wohl nur um die bösen, kriegerischen „Darwinisten-Gene“, die im sozialen Bereich nichts zu suchen haben.
Die moderne Forschung ist sich ziemlich sicher, dass tierisches Verhalten prinzipiell von genetischer Disposition und individuell Erlerntem (auch epigenetisch) bestimmt wird. Die Gewichtung ist dabei sowohl in
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