Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
Indizien gestützte Erklärung gefunden, über welche Mechanismen bestimmte vor letzte Ursachen in Wirkungen umgesetzt werden. Die letzten Ursachen – die Fragen, warum gibt es überhaupt Mutationen, Rekombinationen, eine Selektion, woher kommen die Naturgesetze – bleiben unbeantwortbar. Und die Erkenntnis, dass Wirkungen von uns generell nur retrospektiv diskutiert werden können, hat nichts mit nachträglicher Klugschwätzerei zu tun, sondern ist dem ehrlichen Selbsteingeständnis begrenzter humaner Erkenntnisfähigkeit geschuldet. Eine Stärke des Darwinismus liegt in seiner klaren Beschränkung auf den Mechanismus eines Teilphänomens – dem biologischen Formenwandel –, ohne Ursprungs- und Zukunftsfragen klären zu wollen. Mehr zu verlangen, mag menschlich verständlich sein, begründet in einer unstillbaren Neugier. Wird daraus jedoch eine Forderung oder gar ein Vorwurf abgeleitet, wird es unredlich.
Von Dichtern und Denkern, Theoretikern Und Machern
Karl August Musäus (1735–1787), Lehrer und Literat, verpasste uns Deutschen das schmeichelhafte Image des „Volkes
der Dichter und Denker
“. Fantasie auf der einen, ernsthafter Intellekt auf der anderen Seite, aber das eine geht nicht ohne das andere. In der Naturwissenschaft ist die Sache ganz ähnlich gelagert. Hier könnte man die Denker von den Machern unterscheiden. Die einen sind die Theoretiker, die Mathematiker und theoretischen Physiker. Sie versuchen, die Natur mit Zahlen und Formeln zu erfassen. Die anderen sind die Macher, die Praktiker. Für sie steht das Prinzip Versuch und Irrtum, Experiment und Überprüfung im Vordergrund. Wer den Bestseller „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann gelesen hat, konnte sich auf höchst amüsante Weise ein Bild davon verschaffen, wie man sich je nach individueller Mentalität der Erfassung der Natur auf sehr unterschiedliche Weise nähern kann. Hier der schrullige Mathematiker Gauß, der als Schreibtischtäter die Welt in ein Raster aus Zahlen und Daten einzupassen versucht. Dort der abenteuerlustige Kosmopolit von Humboldt, der in Höhlen kriecht und auf Berge kraxelt, um Natur hautnah zu ertasten und seine Schlüsse daraus abzuleiten. Aber genauso wie für die geisteswissenschaftliche Poesie gilt auch in der Naturwissenschaft: Machen ohne Denken, Praxis ohne Theorie – das funktioniert nicht. Wer dichtet, muss vorher denken, und wer Experimente macht, muss bereits eine Vorstellung davon haben, was passieren könnte. Er muss vor ab (daher auch Vor stellung) überlegen, welche Versuchsanordnung ihm sinnvoll erscheint. In seinem Kopf hat er also schon ein theoretisches, vielleicht aus Beobachtungen abgeleitetes Modell entwickelt, das es zu verifizieren oder falsifizieren gilt. Naturwissenschaft ist auch der Ausschluss falscher Annahmen. Jede Theorie gilt nur so lange, bis sie widerlegt ist.
Auch Praxis und Theorie sind wie alles in der Welt eng miteinander vernetzt. Nicht umsonst waren die großen Denker oft auch große Macher. Man erinnere sich nur an Goethes naturwissenschaftliche Aktivitäten oder das Schaffen der antiken Philosophen. Was bedeutet das alles nun für unsere Diskussion um das „Darwin-Komplott“, also dem nach Meinung der Anti-Darwinisten wider besseren Wissens erfolgenden Festhalten an einem unzeitgemäßen Erklärungsmodell? Die Kritiker monieren, dass die gesamte naturwissenschaftliche Empirie gezielt am darwinistischen Evolutionsmodell ausgerichtet und kein Freiraum für alternative Theorien gelassen werde. Richtig ist, dass sich Experimente an Fragestellungen orientieren. Fragen zu formulieren erfordert ein Nachdenken, wie Antworten ausfallen könnten. Der Fragesteller hat somit bereits ein Modell im Kopf, das er mit dem Experiment überprüft. Harmoniert das Ergebnis mit dem Modell, wird es gestärkt. Umgekehrt führt die Unvereinbarkeit von Theorie und Versuchsergebnis zur Modellverwerfung. Und auf diesen Falsifizierungszug versuchen die Anti-Darwinisten mit der Behauptung aufzuspringen, es lägen massenhaft Belege vor, die mit dem Evolutionsmodell völlig unvereinbar seien. Dass diese angebliche Widersprüchlichkeit einzig auf Fehlinterpretationen und Ignoranz darwinistischer Grundpfeiler beruht, wurde in den vorausgegangenen Kapiteln umfänglich diskutiert. Auf der anderen Seite lehnen die Kritiker die Annahme objektiv verifizierter, verschiedenste Naturwissenschaftszweige übergreifender Befunde kategorisch ab. Auf dieser Basis ist natürlich kaum eine Diskussion
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