Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
möglich. Also wenden wir uns lieber wieder unserer Suche nach den Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit zu und halten fest: Die untrennbare Verquickung von Theorie und Praxis – Modell vor stellung und experimenteller Überprüfung –gibt uns eine weitere Grenze vor. Unsere wissenschaftliche Praxis wird begrenzt durch das, was wir zuvor durch unseren Intellekt an Theorien und Modellen zu entwickeln in der Lage sind. Der Intellekt seinerseits kann aber nur das verarbeiten, was ihm über unsere Sinnesorgane geliefert wird. Und das ist sicher nur ein minimaler Bruchteil all dessen, was die total vernetzte Welt in den Angeln hält.
Die Grenz-Bilanz
Unsere Wissenschaft wird uns also nie zu einem allumfassenden Verständnis des Weltgeschehens führen, da ihr qua eigener Definition klare Grenzen gesetzt sind. So ernüchternd diese Einsicht für den ehrgeizigen Fragensteller auch sein mag. Die uns auferlegte Bescheidenheit ist gut für uns. Ganz davon abgesehen, dass uns ein lückenloses Wissen unserer Hauptlebensmotivation – der Suche nach dem Sinn der eigenen Existenz – beraubte. Unser mit dem immensen globalen Bevölkerungswachstum immer schwieriger zu managendes Zusammenleben, unsere „soziale Kompetenz“, wie es heute so schön heißt, würde vor kaum lösbare Probleme gestellt. Schon jetzt verursacht der rasante naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinn belastende gesellschaftliche Konflikte. Gentechnik und Atomphysik mit all ihren möglichen Anwendungen, Missbrauchspotenzialen und Unfallgefahren seien hier als Beispiele genannt. Unsere soziale Entwicklung kann mit diesem Wissenszuwachs nicht Schritt halten. Die Rallye von Wissenschaft und Technik mit all ihren Nebenwirkungen konfrontiert uns mit Anforderungen, denen wir kaum gewachsen sind. Schauen wir wieder auf die globale Erderwärmung, Wir wissen weder wie hoch unser Anteil am Klimawandel wirklich ist, noch wie schnell er langfristig vonstatten geht. Aber wie auf etwas reagieren, dessen Verlauf nicht einzuschätzen, geschweige denn experimentell zu überprüfen ist? Besonders deutlich wird unsere soziale Überforderung, wenn wir an den Fortgang der molekularbiologischen Forschung, der Entschlüsselung des Erbgutes, die Gentechnik und die Epigenetik denken. Nehmen wir als Beispiel die pränatale Diagnostik. In welche ethisch-moralischen Entscheidungskonflikte werden die werdenden Eltern gestürzt, wenn bereits in einem frühen Embryonalstadium ein schweres Erbleiden – etwa eine Trisomie 21 (Mongolismus) – nachgewiesen wird. Kann unser Kind ein glückliches Leben führen? Werden wir dieser Belastung gewachsen sein? Wer kümmert sich, wenn wir nicht mehr sind? Welche Verantwortung haben wir gegenüber der Gesellschaft? Wagen wir einen Blick in die vielleicht gar nicht so ferne Zukunft. Kürzlich wurde im menschlichen Erbgut ein Gen identifiziert, das in einer bestimmten Variante, dem sogenannten „Schwarzenegger-Allel“ ein überschießendes Muskelwachstum bewirkt. In der professionellen Bodybuilding-Szene zeichnet sich bereits ein deutlicher Trend ab, dass kaum mehr jemand ins Wettkampfgeschäft einsteigt, dessen Erbgut nicht mit dieser Version des „Schwarzenegger-Gens“ bestückt ist. Man stelle sich vor, in einigen Jahren oder Jahrzehnten sind vielleicht auch Genvarianten identifiziert, die ihren Trägern besondere Musikalität, eine außergewöhnliche Fingerfertigkeit oder überdurchschnittliche Sprachbegabung verleihen. Welche Entscheidungsschwierigkeiten kämen da auf junge Eltern zu, die schon pränatal um die besonderen Begabungen des ersehnten Nachwuchses wüssten? Bestände dann eine moralische oder soziale Verpflichtung, den Sohn oder die Tochter von Geburt an in die entsprechende Richtung zu leiten? Muss dem kleinen Musikgenie bereits die Blockflöte in den Kinderwagen gelegt, die Anmeldung fürs Konservatorium abgeschickt werden? Gehört das frisch geschlüpfte Bewegungstalent unverzüglich im Sportverein angemeldet, um von vornherein das Risiko eines Abdriftens auf einen „falschen“ Lebensweg zu minimieren? Oder denken wir an das eifrig gesuchte Alters-Gen. Sollte eine gentechnische Lebensverlängerung tatsächlich einmal möglich sein – die auf uns zukommenden gesellschaftlichen Probleme sind in ihrem Ausmaß gegenwärtig überhaupt nicht abschätzbar. Dieser vielleicht etwas futuristisch anmutende Exkurs dient keinesfalls der Panikmache. Zwischen der Identifizierung eines Genlocus auf der DNA, also etwa der Bestimmung von Lage und
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