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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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wissenschaftlichen Befunde, welche zur eindeutigen Falsifizierung der beiden Lamark’schen Grundannahmen führen sollten. Als Erster lieferte der Zoologe August Weismann (1834–1914) auch experimentelle Belege, welche die Annahme der Vererbung individuell erworbener Eigenschaften widerlegten. Weismann interessierte sich sehr für Darwins Modell und widmete einen Teil seiner Arbeit der kritischen Auseinandersetzung mit Alternativen zur Evolutionstheorie. In seiner Publikation „
Über die Berechtigung der Darwin’schen Theorie“
(1868) unterzieht er Schöpfungsglauben und Evolutionstheorie einer kritischen Gegenüberstellung. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sich „… zahlreiche biologische Tatsachen zwanglos im Sinne der Evolutionstheorie deuten lassen, aber unverständlich bleiben, wenn man sie als Resultate von Schöpfungsakten deutet“. Mit dieser Arbeit bekannte sich Weismann zu Darwins Theorie und sah fortan die Evolution als Tatsache an, die er für ebenso unumstößlich hielt wie das heliozentrische, die Sonne als Mittelpunkt unseres Planetensystems beschreibende Weltbild.
    Im Weiteren beschäftigte sich Weismann eingehender mit den Mechanismen der Variationsentstehung und Merkmalsvererbung. Wie Darwin glaubte er an die zufällige Entstehung von „Transmutationen“ als individuelle Veränderungen ererbter Merkmale und den direkten, streng selektiven Einfluss der äußeren Lebensbedingungen
(Studien zur Descendenztheorie: II. Ueber die letzten Ursachen der Transmutationen, 1876)
. Genau wie Darwin erschien ihm auch Lamarcks Lehre vom „
Gebrauch und Nicht-Gebrauch von Organen
“ durchaus plausibel. Seine weitergehende, auch experimentelle Beschäftigung mit dem Vererbungsphänomen führte ihn jedoch zu einer eindeutigen Widerlegung des Lamarck’schen Postulates der Vererbung von durch aktiven Organgebrauch/Nicht-Gebrauch individuell erworbenen Eigenschaften. In einem 1883 „Über die Vererbung“ gehaltenen Vortrag lieferte er zahlreiche Belege, die eine Verbannung der Lamarck-Formel aus dem Abstammungsmodell unumgänglich machten. So hatte Weismann, wenn auch in ethisch fragwürdiger Weise, zeigen können, dass über 22 Generationen hinweg von ihren Schwänzen befreite Labormäuse diese „erworbene“ Eigenschaft in keinem einzigen Fall in die nächste Generation trugen. Andersherum sei nicht erklärbar, wie beispielsweise Spezialanpassungen einzelner Arbeiter- und Soldatenklassen bei den Ameisen dauerhaft konserviert werden könnten, wenn diese sich niemals fortpflanzten und so ihre „erworbenen“ Eigenschaften gar nicht vererben könnten. Diese und zahlreiche weitere Beispiele ließen Weismann ein Modell entwickeln, das als „Keimplasmatheorie oder Theorie der Keimbahnen“ Bekanntheit erlangte. Diese Theorie besagt, dass vielzellige Organismen aus Keimzellen, welche die Erbinformation tragen, sowie aus somatischen Zellen (Körperzellen), die für die Ausübung körperlicher Funktionen verantwortlich sind, bestehen. Nur Veränderungen („Transmutationen“), die das Erbmaterial der Keimzellen betreffen, würden in die Folgegeneration weitergegeben. Durch das, was ein Organismus individuell lernt oder während seines Lebens erwirbt, wird das Erbmaterial der Keimzellen nicht beeinflusst. Demnach könnten keinerlei durch Organgebrauch/Nicht-Gebrauch erworbene Eigenschaften/Fähigkeiten an die Folgegeneration weitergegeben werden, da diese Veränderungen einzig die Somazellen beträfen. Die Keimzellen bildeten somit eine durchgehende Keimbahn, die wie ein roter Faden über die Generationen hinweg verlängert wird. Heute sind die zellulären Mechanismen der Keimzellbildung, deren geschlechtliche Zusammenführung und Weitergabe bei der Paarung aufgeklärt. Zum Ende des 19. Jahrhunderts aber begründeten die Arbeiten Weismanns die Verbannung der Lamarck-Elemente aus der Darwin’schen Evolutionstheorie. Der britische Biologe George John Romanes (1848–1894) prägte dafür den Begriff „
Neodarwinismus“ . Mit der Einbeziehung der Ergebnisse der aufkeimenden molekularbiologischen Forschungsmöglichkeiten ging der Neodarwinismus während der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts in die „Synthetische Theorie der Evolution“ über. Diese ist eine Zusammenführung des klassischen, „bereinigten“ Darwinismus mit den modernen Erkenntnissen der Zellforschung, Genetik und Populationsbiologie. So konnte etwa die molekulare Genetik die DNA als Erbträger identifizieren (Griffith, Avery bis 1944) und

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