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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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sein, sondern in freier Wildbahn geradezu ein gefundenes Fressen für des Pfauen natürliche Feinde, die Tiger und Leoparden. Der Vorwurf der Kritiker: Wenn natürliche Selektion rein auf Zweckmäßigkeit abzielt, sexuelle Selektion aber auf Schönheit und Auffälligkeit – wie verträgt sich das? Sich exponiert und als Blickfang zu präsentieren, ist für potenzielle Opfer doch überaus unzweckmäßig, da es die Überlebenschancen mindert. Umgekehrt sind unscheinbare Paarungswillige wenig attraktiv und daher kaum erfolgreich bei der Partnersuche. Natürlicher und sexueller Selektionsdruck wirkten demnach genau in entgegengesetzte Richtungen. Das könne, so der Vorwurf der Darwin-Opponenten, nur funktionieren, wenn beide Selektionstypen nicht gleichzeitig wirkten. Wer oder was aber würde die natürliche Selektion während der Paarungszeit „blockieren“, damit sich das sexuelle Pendant voll in der Ausbildung farbenfroher Pfauenräder, aufgeplusterter Gefieder, lauter Gesänge oder übermütiger Tanzeinlagen entfalten kann? Und wer „sagt“ darüber hinaus den Fressfeinden, dass sie während der Balz ihrer Opfer gefälligst keinen Hunger verspüren dürfen und den Jagdinstinkt so lange zu unterdrücken haben, bis die werte Opferschaft den Nachwuchs sichernden Paarungsakt vollzogen hat?
    Wie mittlerweile zu erwarten, versucht man als guter Anti-Darwinist natürlich auch in diesem Kontext die (missverstandene) Zufallskomponente wirkungsvoll in Szene zu setzen. Unbelehrbar am Irrglauben (oder ist es bewusste Irreführung?) der Zufälligkeit des Selektionsprozesses festhaltend, könne das Wechselspiel zwischen natürlicher und sexueller Selektion nur unter der regelnden Kontrolle durch eine „höhere schöpferische Instanz“ funktionieren. Da es sich schließlich um „blinde, nicht zielgerichtete Kräfte“ handele, bedürften sie eines steuernden Eingriffs „von oben“, der mal die natürliche, mal die sexuelle Selektionsvariante im Zaume hält.
    Wenn man einmal den nun schon zur Genüge behandelten Punkt des „Blindselektions-Irrtums“ außen vor lässt (in diesem Punkt scheint die Lernfähigkeit oder -willigkeit der „Antis“ gleich null), wird auch bei den Ausführungen des letzten Abschnitts mancher geneigt sein, verständnisvoll zuzustimmen. Genauer betrachtet handelt es sich aber wieder nur um ein klassisches Eigentor der Evolutionsleugner. Zunächst einmal ist es mit Verlaub gesagt Quatsch, dem
natürlichen
einen für Schönheit zuständigen, der Zweckmäßigkeit entgegenwirkenden
sexuellen
Selektionsdruck gegenüberzustellen. Evolution ist ein globaler Prozess, der auf sämtlichen Ebenen wirkt, die das Phänomen „Leben“ ausmachen. Der (einzige) natürliche, d. h. auf maximale Überlebenswahrscheinlichkeit ausgerichtete Selektionsdruck ist der bestmögliche gemeinsame Nenner aller Lebensbereiche. Diese isoliert zu betrachten, ist unsinnig, da sie alle gleichzeitig wirksam sind und immer in die gleiche Richtung arbeiten, quasi kooperieren. Balz- und Paarungsverhalten als abgetrenntes Lebenselement zu behandeln, es etwa vom Tarn- bzw. Jagdverhalten oder der Nahrungsbeschaffung abzukoppeln und dabei womöglich noch das Sozialverhalten in der Gruppe außen vor zu lassen, mag für die Diskussion ganz praktisch sein, spiegelt aber in keiner Weise die natürlichen Verhältnisse wider. Kein Lebewesen ist nur in einem Bereich aktiv. Zwar gibt es vielfach Arbeitsteilungen, Kompetenzzuweisungen und strenge Hierarchien – man denke nur an die hoch organisierten Insektenstaaten –, aber jedes Individuum und jede Gruppe einer taxonomischen Einheit ist immer das Konglomerat aller das Leben bestimmenden Faktoren. Nur wenn all diese Parameter in eine Richtung wirken, also etwa die Nahrungsbeschaffung einer Gruppe durch entsprechendes Sozialverhalten optimiert wird, durch erfolgreiches Balz-/Sexualverhalten für ausreichend Nachwuchs gesorgt und dieser durch adäquate Schutzmaßnahmen ausreichend gesichert ist, kann eine Art erfolgreich (überlebensfähig) sein. Alle Bereiche müssen sich also kooperativ in eine Richtung entwickeln. Dass dabei zweifelsohne einige Kompromisse zu schließen sind, ist unumgänglich. Entscheidend ist das bestmögliche Gesamtresultat. Nur dieses wird von der Selektion bewertet und keine Einzelmerkmale. Demzufolge können auch Eigenschaften, die für seinen Träger risikobehaftet sind – etwa ein auffälliges Balzgehabe – stabil überdauern, wenn das Gesamtkonzept der Art, also

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