Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand
die Konstanz der von Gott geschaffenen Welt samt all ihrer existenten Lebewesen widersprachen. Natürlich beruhten diese frühen Theorien noch nicht auf exploratorischen Studien im heutigen Sinne. Naturbeobachtung und Lebenserfahrung gepaart mit philosophischer Kreativität brachten jedoch bemerkenswerte Denkansätze hervor – angesichts der praktisch fehlenden Analysemöglichkeiten eine beachtliche Leistung.
Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer wieder Ansätze, die das Dogma der Unveränderlichkeit alles Gottgeschaffenen angriffen und eine Weiterentwicklung vorhandener Formen ohne direkten göttlichen Eingriff postulierten. Die einflussreiche oft von der Kirche getragene Gegenbewegung verhinderte die Etablierung solch revolutionären Gedankengutes, indem sie die Protagonisten solcher Ideen mit aus heutiger Sicht martialischen Bestrafungen belegte. Die Allmacht Gottes, sein alleiniges schöpferisches Monopol stärkte die Position der Kirchenoberen. Zugeständnisse an eine allein von Naturgesetzen getragene eigenständige Entwicklung des gottgeschaffenen Lebens hätten diese Führungsposition nur schwächen können. Demzufolge wurden „gefährliche“ ideologische Tendenzen sofort im Keime erstickt.
Ein ernsthafter Durchbruch des Evolutionsgedankens war unter diesen Bedingungen gar nicht möglich. Erst im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert, im Zeitalter der Aufklärung und damit der Lockerung der seit Jahrhunderten durch den Absolutismus der freien Gedankenäußerung angelegten Fesseln, vollzog sich ein entscheidender Wandel. Carl von Linné (1707–1778), ein schwedischer Arzt und Anatom, entwickelte ein hierarchisches System zur Klassifizierung aller lebenden Organismen anhand ihrer Merkmale und Ähnlichkeiten. Sein 1735 veröffentlichtes Hauptwerk „
Systema naturae
“ lieferte erstmals die Untergliederung in Arten, Ordnungen, Familien usw. und legte damit den Grundstein für die heute noch gültige Tier- und Pflanzensystematik (Taxonomie). Darüber hinaus führte er die binominale lateinische Nomenklatur ein, die jede Tier- und Pflanzenart über eine Doppelbezeichnung mit Gattungs- und Artnahmen eindeutig zuordnet (z. B. Apis mellifera = Honigbiene, Amanita muscaria = Fliegenpilz). 1766 reihte er erstmals den Menschen unter der Bezeichnung Homo sapiens zusammen mit Schimpansen und Orang-Utans in die Ordnung „Herrentiere“ (Primates) ein und teilte den Menschen verschiedenen Hauptrassen zu (z. B. Homo sapiens nordicus, negridus oder europidus) 2 . Obwohl Linne selbst noch an die schöpferische Allmacht Gottes und damit an das theologisch-naturkundliche Dogma der Konstanz der Arten glaubte, stellte seine Arbeit einen Meilenstein der Naturwissenschaft dar, der auch für die Entwicklung der Evolutionstheorie von Bedeutung war.
Im Jahre 1798 veröffentlichte der britische Ökonom und Geistliche Thomas Robert Malthus (1766 – 1834) eine Arbeit über das den Naturgesetzen folgende Wachstum menschlicher Populationen. Darin wird einem exponentiellen Bevölkerungswachstum eine nur linear ansteigende Nahrungsmittelproduktion gegenübergestellt, mit den negativen Folgen von Überbevölkerung, Hungersnot und Armut. In Darwins Theorie sollte diese Arbeit in seine Postulate von der Überproduktion von Nachkommen und der Selektion im Kampf um Nahrungsmittel einfließen.
Das Privileg, als Begründer einer ersten, detailliert ausgearbeiteten Evolutionstheorie in die Geschichte einzugehen, gebührt dem französischen Biologen und Mediziner Jean-Baptiste de Lamarck (1744 – 1829). Seine 1809, genau fünfzig Jahre vor Darwins Hauptwerk erscheinende „
Philosophie zoologique
“ beschreibt erstmals den Ablauf eines sich über längere Zeiträume vollziehenden Artenwandels. Zwar sollten sich die von Lamarck postulierten Mechanismen später als weitgehend unzutreffend erweisen, doch wurde das vor 1800 unumstößliche Dogma der Konstanz aller gottgeschaffenen Lebensformen nun endlich durchbrochen. Somit gebührt Lamarck die Ehre, die Tatsache der Veränderlichkeit der Arten erkannt und erstmals begründet formuliert zu haben, wenngleich er bezüglich der zugrunde liegenden Mechanismen irrte. Auf die Frage „Was geschieht?“ hat Lamarck somit wohl die korrekte Antwort gefunden. Doch beim „Wie?“ lag er größtenteils falsch.
Die Lamarck’sche Theorie zur Entwicklung komplexer aus einfachen Lebensformen fußt auf zwei Kernaussagen:
1. Aktive Umweltanpassung durch Gebrauch und Nicht-Gebrauch von Organen: Lamarck
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