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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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ganzer Arten – wird als direkte Vernichtung mit Mordabsicht dargestellt, und „Fitness“ sei demnach mit ungezügelter Gewalttätigkeit gleichzusetzen. Eine derartige Verdrehung stellt Darwin zu Unrecht in eine dunkle Ecke und hat mit sachlicher Kritik an seiner Arbeit nichts zu tun. Sicher treten bei Diskussionen um Wissenschaftsmodelle immer Auslegungsfragen und Verständnisabweichungen auf. Was hat der Autor hier gemeint, warum hat er diese Formulierung gewählt? In den Geisteswissenschaften sind solche Exegesen beinahe alltäglich, gerade wenn es um die Analyse antiker lyrischer Texte geht, deren Verfasser nicht mehr für Nachfragen zur Verfügung stehen. Die in der Regel klareren Formulierungsbestrebungen von Naturwissenschaftlern geben hier meist weniger Anlass zu Spekulationen. Obwohl Darwin selbst durch unmissverständliche Ausführungen und eindeutige Erklärungen keine Zweifel über die semantische Deutung der vom ihm gewählten Schlagwörter offenließ, finden Gegner seiner Lehre auch hier einen Angriffspunkt. „The struggle for life“, „survival“, „fitness“ – alle diese Begriffe werden von den Kritikern in einen rein konfrontativen Kontext nach dem Muster einzig vom Menschen praktizierter kriegerischer Auseinandersetzung gestellt. Wer so fehlfokussiert, kann Darwin nicht gelesen haben.
Faule Konzilianz
    Angesichts so schwerwiegender Diffamierungen kann denn auch eine allzu kleine Konzession an die Adresse Darwins kaum Entlastung schaffen. Immerhin gestehen die „Häscher“ Darwin zu, mit seinem Modell endlich einen wirkungsvollen Antagonisten zur kirchlichen Schöpfungsdoktrin geschaffen zu haben, die dem Volk über Jahrhunderte hinweg aufoktroyiert wurde. Widerworte bedeuteten höchste Lebensgefahr. Insofern habe das der wörtlichen Bibelauslegung Paroli bietende Abstammungsmodell, auch wenn es inhaltlich falsch sei, einen Wandel in Richtung religiöser Meinungsfreiheit eingeleitet und daher im auslaufenden 19. Jahrhundert seine Existenzberechtigung gehabt. Bei so viel Konzilianz seitens der Kritiker lässt natürlich der einschränkende Rückzieher nicht lang auf sich warten. Letztlich sei lediglich ein Mythos durch einen anderen ersetzt worden, den man heute als widerlegt ansehen müsse. Widerlegt? – Indizien, bitte!
    Insgesamt kann dieses zarte Entgegenkommen der herabwürdigen Anklage Darwins kaum etwas an Schärfe nehmen. Im Lichte der Vehemenz, mit der die Kampagne gegen das Evolutionsmodell aufgezogen wird, ist es wohl mehr als angebracht, ein Schlagwort wie „
Darwin-Komplott
“ zu hinterfragen. Von Reinhard Eichelbeck, einem der führenden Kritiker, geprägt, soll dieser Begriff eine von der heutigen Wissenschaftswelt wider besserer Erkenntnis praktizierte Pro-Darwin-Propaganda umschreiben. Der Haken an der Sache: Die „Pro-Evolution-Verschwörung“ liefert Belege en masse – die „Kontra-Front“ nichts als heiße Luft! Wer hier wirklich ein Komplott gegen wen schmiedet, sollte von den Anti-Darwinisten einmal überdacht werden, wenn sie permanent allen wissenschaftlichen Befunden trotzend zur Diffamierung aufrufen.
Sensible Grenzverletzung
    Dies ist kein politisches Buch und hat diesbezüglich auch keinen wertenden Anspruch. Aber die heute gleichermaßen enge wie sensible Verknüpfung von Wissenschaft und Politik, die Diskussion um Ethik und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung von Forschungsaktivitäten und deren Anwendung fordert auch einen populärwissenschaftlichen Autor zur Stellungnahme heraus, wenn er moralisch ethische Grenzen für übertreten hält. Im Rahmen der Evolutionsthematik ist dies der Fall, wenn Charles Darwin mit dem schlimmsten Verbrechen der Neuzeit, der nationalsozialistischen „Eugenik“ und „Rassenhygiene“ in irgendeinen Zusammenhang gebracht wird. Es steht außer Frage, dass die Protagonisten dieses mörderischen Systems das Evolutionsmodell in schändlichster Weise verfälscht, zur rücksichtslosen Durchsetzung ihrer machtpolitischen Ziele missbraucht haben. Darunter waren studierte Wissenschaftler, die genau über den naturwissenschaftlichen Kenntnisstand einschließlich der Lehre Darwins informiert waren. Sie handelten somit im vollen Bewusstsein der Schändlichkeit ihres Verbrechens. Die völlige Verfälschung der Lehre Darwins war eine gewollte Instrumentalisierung. Zwischen diesem Handeln und der Person Charles Darwin besteht nicht die geringste Verbindung. Somit ist jeglicher Vorwurf, Darwin habe der

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