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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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naturgegebener Gesellschaftsform zu sein –, entspricht der Anklage eines schwerstkriminellen Volksverhetzers. Hätte Darwin noch die Chance, würde er eine Verleumdungsklage führen, die er mit Pauken und Trompeten gewänne. Je mehr man sich mit diesem personenbezogenen Diffamierungsfeldzug befasst, desto mehr sinkt das Verständnis. Die in jedem Kapitalprozess als zentraler Entscheidungsfaktor herangezogene Motivlage nimmt sich im Schatten der exorbitanten Vorwürfe nur äußerst dürftig aus. Fürchtete Darwin wirklich den Verlust seiner materiellen Sicherheit? Sollte er allen Ernstes geglaubt haben, das „brodelnde“ Volk im Zaum zu halten, indem er ihm die Illusion gab, das Leben der Masse in Abhängigkeit und Armut sei ebenso Naturgesetz wie der Wohlstand der Privilegierten? Glaubte er damit dem Volke die Botschaft zu übermitteln, dass Revolution unnatürlich, zwecklos und suizidal wäre? Oder war Darwin nichts weiter als ein raffgieriger Egomane, dem eigene Machterweiterung und Unterdrückung sozial Schwächerer Glücksgefühle bescherten? Die Darwin-Gegner üben sich hier in vornehmer Zurückhaltung und gehen über den Grad der Andeutungen nicht hinaus. Man will sich ja möglichst wenig angreifbar machen. Die Fakten aber, in authentischen Schriften über Leben und Wesen Darwins abrufbar, sprechen ein deutliches Plädoyer: „s i n e dubio pro reo“! Ruhig und gütig, liebevoller Ehemann, Vater von zehn Kindern und Naturforscher aus Berufung und Leidenschaft – so die Kurzcharakteristik. Zeitlebens setzte sich Darwin vehement gegen jede Form von Sklaverei als Besitz eines Menschen durch einen anderen ein. Ferner sprach er sich gegen jede Rassentrennung von Menschen verschiedener Hautfarbe aus, betonte vielmehr deren Zugehörigkeit zur selben Art. Und ausgerechnet dieser Mensch soll mit seiner Theorie die Rechtfertigung materieller Wohlstandsunterschiede und des Einsatzes von Gewalt im Sinn gehabt haben – wollte ihm zutiefst widerstrebendes Unrecht als natürliche Gesetzmäßigkeit verkaufen? Darwin hat in akribischer Feinarbeit aus seinen unzähligen Naturbeobachtungen induktiv ein allgemeingültiges Erklärungsmodell für den Wandel der biologischen Formenvielfalt abgeleitet. Niemals hat er daraus Vorgaben oder gar Verhaltensregeln für die menschliche Gesellschaft ausgegeben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er den Teilaspekt einer direkten Wechselwirkung zwischen Nahrungsangebot und Nachkommenproduktion aus den gesellschaftsphilosophischen Überlegungen eines Thomas Robert Malthus in seinem Modell verarbeitet hat. All die seitens der Kritiker gemachten Vorhaltungen hinsichtlich eigennütziger Motive Darwins und einer angeblich gewollten Wirkung auf die menschliche Gesellschaft sind ungeheuerlich und entbehren jedweder biografischer Belege. Nichts in Darwins Autobiografie, fünf Jahre nach seinem Tod von seinem Sohn Francis veröffentlicht, oder in anderen literarischen Quellen deutet auch nur marginal auf eines der oben genannten Verhetzungsmotive hin. „Ich glaube nicht, dass er in seinem ganzen Leben je ein böses Wort zu einem seiner Kinder gesagt hätte“, schreibt Francis Darwin in einem Memorandum, das er unter dem Titel „
Erinnerungen aus meines Vaters täglichem Leben
“ der Autobiografie des Vaters beifügte. „So labil sein Gesundheitszustand[..] war, so gleich bleibend freundlich und gütig war sein Verhalten zu seiner Umwelt“, ist in einer Biografie von Johannes Hemleben zu lesen. „Er behielt seine entzückend liebevolle Art sein ganzes Leben hindurch“, heißt es an anderer Stelle. Darwin hätte schon ein außergewöhnlich guter Schauspieler oder besonders verschlagener Täuscher gewesen sein müssen, um den wahren Charakter eines berechnenden Egoisten ein ganzes Leben lang mit dem Mantel der Nächstenliebe zu bedecken. Nicht ein einziger Hinweis deutet auf ein solch chamäleonartiges Doppelleben Charles Darwins hin. Es mag etwas pathetisch klingen, aber Darwin lebte ein Leben für die Naturwissenschaft – ohne jede Spur von politischer Demagogie.
Bedeutungswandel
    Wenn man diese nur wenig auf die Sache, sondern betont auf die Person Charles Darwin gerichteten Angriffe auf sich wirken lässt, kommen einem rasch Zweifel, ob sich die Kläger auch nur annähernd über das Ausmaß ihrer Beschuldigungen im Klaren sind. Derartige Vorwürfe ohne 100 % fundierte Beweise zu erheben – insbesondere gegen eine wehrlose Person, die ihre Arbeit nachweislich voll auf die

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