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Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand

Titel: Darwin im Faktencheck - moderne Evolutionskritik auf dem Prüfstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Graf
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ein Karl Marx war zumindest anfänglich ein Befürworter von Darwins Idee – wohl meinend, dass sich hieraus eine natürliche Grundlage für die „arm/reich- (fit/unfit-)Trennung“ im sozialistischen „all animals are equal“-Gefüge ableiten und propagandistisch ausschlachten ließe. Die heutigen Anti-Darwin-Jünger aber drehen den Spieß um. Demnach habe der „Evoluzzer“ ganz bewusst seine Lehre auf gesellschaftsphilosophischen Theorien aufgebaut. Die Unterstützung durch Malthus und Marx sei ihm gerade recht gekommen. Der humangesellschaftliche Vergleich habe im Volk den Eindruck von Vertrautheit erweckt. Man hatte demnach das Gefühl, in Darwins Lehre auf Verhältnisse zu treffen, die einem tagtäglich begegneten. Nur jetzt erfuhr man endlich, warum das so war. Nicht nur in London oder Liverpool sei es englisch zugegangen – die ganze Natur wäre britisch ausgerichtet. Die Parallelen zwischen gesellschaftlichen und natürlichen Gesetzen seien offensichtlich:
    • Konkurrenz entscheidet (freier Handel / Ressourcenbeschaffung);
    • nur der Erfolgreiche überlebt; die Tendenz geht nach oben, d. h. permanenter Fortschritt, wobei Neuheiten stets Verbesserungen sind;
    • der Fortschritt vollzieht sich nicht revolutionär (also bitte keinen Aufstand), sondern in kleinen Schritten.
    Der „kleine Mann“ von der Straße sollte demnach glauben, was ihn im täglichen Überlebenskampf ereilte, widerfuhr auch der schwächlichen Maus, lichtlosen Pflanze oder zertretenen Ameise. Die britische Gesellschaft und die Natur seien eine Einheit.
    Ob ein leerer Magen in dem Stolz, die Gesetze der heimatlichen Gesellschaft auf die Natur übertragen zu finden, eine sättigende Nahrung fand, scheint doch mehr als fraglich. Die Kritiker liefern hier keine Antwort. Ebenso unklar bleibt, welche Motive Darwin wirklich getrieben haben könnten. Sollte er in Wahrheit ein eitler Egomane gewesen sein, der seine Thesen „auf Deibel komm raus“ unters Volk bringen wollte, um auch von den ärmsten Gesellschaftsschichten Ruhm und Anerkennung zu ernten? Hielt er selbst sein Modell für nicht sattelfest (nicht
fit
) genug, um ohne die gesellschaftliche Stabilisierung überleben zu können? Fürchtete er vielleicht, in der gehobenen Wissenschaftswelt nicht punkten zu können, und eine solche Niederlage hätte sein Ego nicht verkraftet? Oder wollte er wirklich nur seinen eigenen materiellen Wohlstand rechtfertigen, aufständlerische Tendenzen im Kern ersticken? Nach allem, was uns authentisch überliefert ist, spricht nichts, aber auch rein gar nichts für solch absonderliche Ideen. Warum etwa die penible und zeitaufwendige Arbeitsweise? Reist jemand, der Angst um sein Vermögen hat oder sein mangelndes Selbstbewusstsein durch „Bauchstreicheleien“ zu stärken hofft, erst jahrelang um die Welt, um dann seine „Werbeschrift“ mit vieljähriger Verzögerung unters Volk zu bringen? Ein geldgieriger Egomane verführe sicher anders, als es uns die Kritiker mit einer haltlosen Anklage zu vermitteln versuchen. Wehr dich, Charles! Leider kannst du es nur noch durch dein literarisches Vermächtnis.
Der berühmte Tropfen zuviel
    Waren die im vorherigen Abschnitt diskutierten Anschuldigungen zwar haltlos, so stellten sie Darwin immerhin „nur“ in das Licht eines auf Sicherung des eigenen Wohlstandes bedachten Egoisten – unschön, aber nicht illegal. Leider macht die Diffamierungskampagne der Gegenbewegung hier nicht Halt, sondern überschreitet im Weiteren die Grenzen des Tolerablen. Die völlig gegenstandslose Behauptung, Darwin habe gezielt die größten Gräueltaten der Menschheit – rücksichtslosen Eigennutz, Krieg und Mord – sowie Hunger und Armut zu kreativen Prinzipien erklärt, zu konstruktiven Kräften, die als Triebfedern der Evolution das Wesen der Natur ausmachten, ist ungeheuerlich. Darwin wird hier zum Propagandisten einer verbrecherischen Lebensmaxime gemacht. Das Ausmaß der Fähigkeit, sich amoralisch egoman zu verhalten, auch Kapitalverbrechen als legitime Mittel einzusetzen, wird nach Ansicht der Kritiker von Darwin zum Gradmesser der Lebenseignung („fitness“) erhoben. Rücksichtnahme und soziales Miteinander würden zu evolutionären Mali degradiert, da sie den Vorgaben der Natur zuwiderliefen. Menschlichkeit im positiven Sinne verkäme damit zu einem märtyrerartigen Luxus, den die Natur bestraft.
    Was man Darwin hier vorwirft – Wegbereiter und Rechtfertiger einer Terrorkratie, einer Gewaltherrschaft als

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