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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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›Lüge-für-Kinder‹ oder eine Unterrichtshilfe* [* Siehe Die Gelehrten der Scheibenwelt .] wie Newtons Apfel. Selbst wenn der kleine Watt wirklich plötzlich von einem Topf mit kochendem Wasser inspiriert wurde, war er keineswegs der Erste, der einen Zusammenhang zwischen Dampf und Antriebskraft herstellte. Er war nicht einmal der Erste, der eine funktionsfähige Dampfmaschine baute. Sein Anspruch auf Ruhm beruht auf etwas Komplexerem, aber Wichtigerem. In Watts Händen wurde die Dampfmaschine zum wirksamen und verlässlichen Werkzeug. Er hat sie nicht ›perfektioniert‹ – viele kleinere Verbesserungen wurden nach Watt vorgenommen –, wohl aber ihr so ziemlich ihre endgültige Gestalt gegeben.
    Wie Watt 1774 schrieb: »Die Feuermaschine [= Dampfmaschine], die ich erfunden habe, läuft jetzt und entspricht den Erfordernissen viel besser als jede andere, die bisher gebaut wurde.« Zusammen mit seinem Geschäftspartner Matthew Boulton machte sich Watt zum Markennamen für die Dampfmaschine. Und es tut seinem Ruf keinen Abbruch, wenn Thurston feststellt: »Über die Lebensgeschichte der früheren Erfinder und Verbesserer der Dampfmaschine weiß man wenig Sicheres; die von Watt aber ist wohl bekannt.«
    War Darwin auch nur ein James Watt? Wurde ihm die Urheberschaft an der Evolutionstheorie zugesprochen, weil er sie in eine geschliffene, wirksame Form brachte? Ist er berühmt, weil wir zufällig so viel über seine Lebensgeschichte wissen? Darwin bewahrte zwanghaft Aufzeichnungen auf, er hat kaum ein Stückchen Papier weggeworfen. Die Verfasser von Biographien konnten sein Leben außergewöhnlich detailliert dokumentieren. Es hat seinem Ruf jedenfalls nicht geschadet, dass so viel historisches Material zur Verfügung stand.
    Um Vergleiche ziehen zu können, wollen wir die Geschichte der Dampfmaschine betrachten und dabei Lügen-für-Kinder möglichst vermeiden. Dann werden wir uns Darwins geistigen Vorläufern zuwenden und sehen, ob ein gemeinsames Muster deutlich wird. Wie funktioniert eine Dampfmaschinenzeit? Welche Faktoren führen zu einer kulturellen Explosion, wenn eine anscheinend radikale Idee ›in Fahrt kommt‹ und die Welt sich für immer verändert? Verändert die Idee die Welt, oder bringt eine sich ändernde Welt die Idee hervor?
    Watt stellte seine erste wesentliche Dampfmaschine 1768 fertig und meldete sie 1769 zum Patent an. Ihr waren mehrere Prototypen vorangegangen. Die erste aktenkundige Erwähnung von Dampf als Quelle von Antriebskraft kommt in der Zivilisation Ägyptens zur Zeit der Antike vor. Um 150 v. Chr. (das Datum ist sehr ungenau) schrieb Heron von Alexandria ein (lateinisch überliefertes) Manuskript Spiritalia seu Pneumatica . Nur Bruchstücke davon sind als Kopien erhalten, doch daraus erfahren wir, dass das Manuskript Dutzende von dampfgetriebenen Maschinen erwähnte. Wir wissen sogar, dass mehrere davon Heron vorangingen, denn er teilt uns das mit; einige waren ältere Arbeiten eines Erfinders namens Ktesibios, der für die große Anzahl und Vielfalt seiner einfallsreichen pneumatischen Maschinen gefeiert wurde. Wir sehen also die Anfänge der Dampfmaschine vor langer Zeit, doch der Prozess verlief zunächst derart still und langsam, dass die Dampfmaschine selbst noch in ferner Zukunft lag.
    Eine von Herons Vorrichtungen war ein hohler, luftdichter Altar mit der Figur eines Gottes oder einer Göttin obenauf sowie einem Rohr, das durch die Figur führte. Der Altar enthält ein geheimes Wasserreservoir. Wenn ein Gläubiger auf dem Altar ein Feuer entfacht, erwärmt sich das Wasser und erzeugt Dampf. Der Druck des Dampfs treibt einen Teil des verbleibenden Wassers das Rohr hinauf, und der Gott bietet ein Trankopfer dar. Für ein Wunder ist das ziemlich wirkungsvoll und entschieden überzeugender als die Statue einer Kuh, aus der Milch strömt, oder die eines weinenden Heiligen. Nach 1960 waren ähnliche Apparate weit verbreitet, um am Bett Tee zuzubereiten und ihn automatisch ausströmen zu lassen. Sie kommen heute noch vor, sind aber seltener geworden.
    Eine andere Maschine Herons verwendete dasselbe Prinzip, um eine Tempeltür zu öffnen, wenn jemand ein Feuer auf einem Altar entfachte. Die Vorrichtung ist ziemlich kompliziert, und wir beschreiben sie, um zu zeigen, dass jene antiken Maschinen weit mehr waren als nur Spielzeuge. Altar und Tür befinden sich oberirdisch, die Maschinerie darunter. Der Altar ist hohl und mit Luft gefüllt. Von dem Altar führt ein Rohr senkrecht

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