Darwin und die Götter der Scheibenwelt
Beispiel tritt dieselbe grundlegende Anordnung von Knochen im Arm eines Menschen, der Pfote eines Hundes, dem Flügel eines Vogels und der Flosse eines Wals auf. Wenn jedes dieser Wesen für sich erschaffen worden wäre, müssten Gott die Ideen ausgegangen sein.
Chambers gehörte zur feinen Gesellschaft – er spielte Golf –, und er beschloss, das wissenschaftliche Bild vom Leben auf der Erde dem gemeinen Mann zugänglich zu machen. Als geborener Journalist umriss Chambers nicht nur die Geschichte des Lebens, sondern des gesamten Kosmos. Und er füllte sein Buch mit versteckten Ausfällen gegen ›jene Hunde des Klerus‹. Das Buch wurde über Nacht zur Sensation, und in jeder neuen Auflage wurden nach und nach Irrtümer entfernt, die es leicht gemacht hatten, die erste Ausgabe mit wissenschaftlichen Argumenten anzugreifen. Der diffamierte Klerus dankte seinem Gott, dass der Autor nicht mit einer der späteren Ausgaben angefangen hatte.
Darwin, der die Kirche respektierte, musste die Rudimente erwähnen, sich aber auch von ihnen distanzieren. Jedenfalls fand er sie betrüblich unvollständig. In seinem ›Geschichtlichen Überblick‹ zitierte Darwin aus der zehnten ›und stark verbesserten‹ Auflage und wandte ein, dass der anonyme Verfasser der Rudimente nicht erklären kann, auf welche Weise Organismen an ihre Umwelt oder Lebensweise angepasst werden. Er greift denselben Punkt in seiner Einleitung auf und unterstellt dem anonymen Autor den Gedanken* [* In der deutschen Ausgabe der 6. Auflage fehlt diese Stelle, Specht und Mistel werden dort in anderem Zusammenhang erwähnt. – Anm. d. Übers. ],
nach einer gewissen Anzahl unbekannter Generationen hatte irgendein Vogel den Specht hervorgebracht und irgendeine Pflanze die Mistel [sic], und diese seien so vollkommen aufgetreten, wie wir sie jetzt sehen; diese Annahme halte ich jedoch für keine Erklärung, denn sie berührt weder den Fall der Koadaptionen organischer Wesen aneinander und an ihre physischen Lebensbedingungen, noch erklärt sie ihn.
Es folgen weitere Schwergewichte, vermischt mit minderen Gestalten. Das erste Schwergewicht ist Richard Owen, der überzeugt war, dass sich Arten verändern können, und hinzufügte, dass für einen Zoologen »das Wort Schöpfung nur einen ihm unbekannten Prozess bezeichnet«. Als Nächster folgt Wallace. Darwin betrachtet seine Wechselwirkung mit beiden einigermaßen ausführlich. Er erwähnt auch Herbert Spencer, der die Zucht domestizierter Varietäten von Tieren als Beweis betrachtete, dass sich die Arten in der Wildnis ohne menschliche Einwirkung verändern können. Spencer wurde später zum wichtigsten Popularisator von Darwins Ideen. Er führte den einprägsamen Begriff ›Überleben der Tüchtigsten‹ ein, der der Sache Darwins leider eher schadete als nützte, indem er eine ziemlich einfältige Version der Theorie begünstigte.
Ein unerwarteter Name ist der von Pfarrer Baden Powell, dessen ›Versuch über die Einheit der Welten‹ von 1855 feststellt, dass die Einführung einer neuen Art ein natürlicher Prozess ist, kein Wunder. Eine Urheberschaft an Gedanken zur Veränderlichkeit der Arten wird auch Karl Ernst von Baer, Huxley und Hooker bescheinigt.
Darwin war entschlossen, niemanden auszulassen, der einen berechtigten Anspruch hatte, und alles in allem zählt er über zwanzig Leute auf, die auf unterschiedliche Art seine Theorie vorweggenommen oder vorausgeahnt haben. Er sagt klipp und klar, er beanspruche nicht die Urheberschaft an der Idee, dass Arten sich verändern können, die in wissenschaftlichen Kreisen – und, wie Baden Powell zeigt, darüber hinaus – Gemeingut war. Was Darwin für sich beansprucht, ist nicht der Gedanke der Evolution, sondern der natürlichen Auslese als Evolutionsmechanismus.
Womit wir wieder am Anfang wären. Veränderte eine innovative Idee die Welt, oder bringt eine sich verändernde Welt die Idee hervor?
Ja.
Es handelt sich um Komplizität. Beides geschieht – nicht einmal, sondern immer wieder, wobei das eine in zunehmendem Maß das andere verändert. Neuerungen geben der menschlichen Zivilisation eine neue Richtung. Neue gesellschaftliche Richtungen fördern weitere Neuerungen. Die Welt der menschlichen Ideen und die Welt der Dinge modifizieren einander wechselweise.
Das geschieht mit einem Planeten, wenn sich eine Spezies entwickelt, die nicht schlechthin intelligent ist, sondern das, was wir extelligent nennen möchten. Eine Spezies, die ihr kulturelles
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