Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
uns waren gesund genug, um einen Marsch durchzustehen.
    Das Nächstliegende war, Hilfe zu holen. Der Bodensee lag nur ein paar Tagesmärsche hinter uns. Erasmus würde mittlerweile zu seiner Torfhütte und seinem Kraal zurückgekehrt sein, aber da waren ja noch die Boote – sofern sie nicht auch in Feindeshand geraten waren – und die Fahrt den Rhein hinunter würde weniger beschwerlich sein als die Fahrt flußaufwärts. Schätze mal, einen Monat bis Jeffersonville und nicht ganz so lange für den Rettungstrupp hierher.
    Tom Compton bot sich an, aber er war unser Leibwächter und Medizinmann zugleich. Mit seiner Erfahrung im Jagen und Fallenstellen konnte er für Nahrung sorgen, ohne einen Schuss aus seiner Flinte abzugeben. Und er ging wirklich dazu über, Wollschlangen mit dem Bowiemesser zu erlegen. Er schnitt ihnen einfach die Kehle durch. Mit der Zeit wurden die Tiere zwar unruhig, wenn sie ihn witterten, blieben aber so artig, dass das dumme Tier erst Verdacht schöpfte, als es praktisch schon tot war.
    Wir schickten Chris Tuckman und Ray Burke, die beide mit heiler Haut davongekommen waren. Sie nahmen mit, was wir noch an Konserven hatten (lächerlich wenig), außerdem ein Zelt, das die Flammen überlebt hatte, sowie Pistolen, einen Kompass und einen beträchtlichen Teil unserer wohlgehüteten Munition.
    Das war vor drei Monaten.
    Sie sind nicht zurückgekommen.
    Niemand ist gekommen. Von ursprünglich fünfzehn Mann sind noch acht übrig. Ich selbst, Finch, Sullivan, Compton, Donner, Robertson, Farr und Digby.
    Der Winter kam früh in diesem Jahr. Eisiger Schneeregen und dann körniger, unbarmherziger Schnee.
     

     
    Sullivan, Wilson Farr und Tom Compton hätschelten mich, bis ich wieder den Anschein von Gesundheit erweckte – päppelten mich mit Schleimsuppe und transportierten mich, wenn wir weiter mussten, auf einer primitiven Trage, die von einer wilden Wollschlange geschleppt wurde und mit einem Ende am Boden schleifte. Ich nahm natürlich ab, mehr noch als die anderen. Uns stand der Hunger auf den Leib geschrieben.
    Du müsstest mich sehen, Caroline. Der Bauchansatz, den du mir vorgeworfen hast, ist Schnee von vorgestern. Ich musste neue Löcher in den Gürtel schneiden. Meine Rippen sind so dünn wie die Zinken einer Mistgabel und wenn ich mich rasiere (wir teilen uns einen Spiegel und ein Messer), dann hüpft mein Adamsapfel wie die Katze unterm Bettlaken.
    Wie gesagt, wir haben ein Winterquartier gefunden. Aber dieses Quartier…
    Caroline, ich darf nicht weiterschreiben! Für heute ist Schluss.
    (Hör nur: Diggs ist wieder bei der Arbeit, die Krücke, ein langer Ast mit kurzer Gabel, pocht über den Steinboden, das Wasser zischt, weil es ins Feuer schwappt – ich muss ihm zur Hand gehen.)
     

     
    Vielleicht sollte ich unser Quartier so beschreiben, wie ich es damals gesehen habe – mit fiebrigen Augen natürlich, aber ich war nicht im Delirium, auch wenn es sich vielleicht so anhört.
    Eins nach dem anderen, Caroline. Ich fürchte, du wirst mir nicht glauben.
    Stell dir diese zerlumpte Bande vor, bärtige Männer in Tierfellen, die einen humpeln, die anderen werden von Tieren geschleppt; stell dir vor, wie wir ausgehungert und frierend über den nächsten verschneiten Kamm kommen und in das nächste wilde Tal blicken… Diggs mit seinem kaputten Arm, der jämmerlich hinkende Sullivan, ich auf einem Schlitten, weil ich nach ein paar Yards schlappmachem würde. Laut Farr macht das Gift vor allem meiner Leber zu schaffen. Ich fiebere und bin gelb und… na ja, ich will dir die Einzelheiten ersparen.
    Wieder ein alpines Tal, aber dieses Tal war anders. Tom Compton hat es für uns erkundet.
    Ein breites Flusstal, aus steinigem Boden geschnitten und von störrischen, struppigen Moscheebäumen besiedelt. Ich lag in Felle gewickelt auf meinem Schlitten und sah zunächst nur die Talschräge und die düstere Vegetation. Doch die anderen verstummten jählings, und ich stemmte mich hoch, um zu sehen, was ihnen die Sprache verschlug, und es war etwas, das ich in diesem trostlosen Land am allerwenigsten erwartet hätte:
    Eine Stadt!
    Oder die Ruinen einer Stadt. Ein weites Mosaik, durch das der Fluss eine Spur der Zerstörung gezogen hatte, alt offenbar, aber zweifellos von intelligenten Wesen erbaut. Selbst aus dieser Entfernung war zu erkennen, dass die Architekten längst nicht mehr da waren. Nichts bewegte sich auf den unbeirrbar parallelen Straßen. Die Gebäude, die noch heil waren, waren

Weitere Kostenlose Bücher