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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufrüttelte.
    Guilford erkannte die Felsformation wieder, die Uferlinie, die hügeligen Wiesen im ersten Hauch ihres Grüns.
    Es war die richtige Stelle. Aber die Persenning war nicht da und auch die Boote waren fort.
    Benommen ließ Guilford sich von Evangelines Rücken rutschen und suchte den Strand ab – nach was auch immer: Überbleibseln, Spuren. Er fand ein verkohltes Brett und einen rostigen Nagel. Sonst nichts.
    Die Brise warf kleine Wellen ans Ufer.
    Die Sonne stand niedrig. Er brauchte Brennholz und wusste nicht einmal, wo er die Kraft hernehmen sollte, ein Feuer zu entfachen.
    Er seufzte. »Ende der Straße, Evangeline. Fürs Erste zumindest.«
    »Für immer, wenn Sie nicht bald was Anständiges in den Magen bekommen.«
    Er drehte sich um.
    Erasmus.
    »Tom meinte, Sie würden hier aufkreuzen«, sagte der Farmer.
     

     
    Erasmus gab ihm zu essen, richtiges Essen, überließ ihm eine Bettrolle und versprach, ihn und Evangeline auf seine kleine Ranch hinter Rheinfelden zu bringen, die nicht weiter als ein paar Tage entfernt war; wenig später, wenn die Winterware abgeholt würde, brauche Guilford nur mit flussabwärts zu fahren.
    »Sie haben mit Tom Compton gesprochen? Er lebt?«
    »Kam auf dem Weg nach Jayville am Kraal vorbei. Meinte, ich soll nach Ihnen und Mr. Finch Ausschau halten. Er lief Banditen in die Arme, nachdem er euch verlassen hatte. Zu viele, um den Kampf aufzunehmen. Also kam er nach Norden, köderte sie mit Feuern und lockte sie bis zum Bodensee. Er hat Ihnen das Leben gerettet, Mr. Law. Und Preston Finch?«
    »Finch hat es nicht geschafft«, sagte Guilford.
     

     
    Sie gingen parallel zur Rheinschlucht, folgten der Landroute, die Erasmus erschlossen hatte. Der Farmer machte an einem Tümpel Halt, der von einem namenlosen Nebenfluss gespeist wurde. Das Wasser war seicht und strömte nur träge. Die Sonne hatte es leidlich aufgeheizt, auch wenn Guilford es immer noch als bitterkalt empfand. Es war Wochen her, seit er sich zuletzt gewaschen hatte. Das Wasser hätte gut und gerne eine Lauge sein können, so viel an Schuppen und Dreck verlor er. Frierend und nackt wie eine Made kam er heraus. Die ersten Billyfliegen des Jahres prallten auf seine Haut und flohen über das sonnenbeschienene Wasser. Das Haar fiel ihm in die Augen; wie der Bart über die Brust fiel, erinnerte er an eine triefnasse Armeedecke.
    Erasmus spannte das Zelt auf und schabte eine Mulde für das Feuer aus, derweil Guilford sich abtrocknete und anzog.
    Sie aßen Bohnen aus der Dose, süße Melasse und geräucherten Schellfisch. In einem Blechnapf kochte Erasmus Kaffee. Der Kaffee war dick wie Sirup und bitter wie Lehm.
    Der Wollschlangenfarmer hatte etwas auf dem Herzen.
    »Tom hat mir von der Stadt erzählt«, sagte er, »und was euch da passiert ist.«
    »So gut kennen Sie ihn?«
    »Wir kennen uns, sagen wir es so. Uns verbindet, dass wir beide in dieser anderen Welt waren.«
    Guilford bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick. Der Farmer zuckte nicht einmal mit der Wimper.
    »Zur Hölle«, sagte Erasmus. »Ich hätte Tom die zwanzig Viecher verkauft, wenn er gefragt hätte. Man soll ja nicht schlecht über die Toten reden, aber Finch hat sich aufgeführt wie Gottvater persönlich, ich war stinksauer.«
    Er fischte eine Pfeife aus der Satteltasche, stopfte sie und riss ein Zündholz an. Er rauchte Tabak, keinen Flusstang. Der Geruch war exotisch, voller Erinnerungen. In Leder gebundene Bücher, tiefe Polster, Zivilisation.
    »Wir sind beide im Großen Krieg gefallen«, sagte Erasmus. »In der anderen Welt, meine ich. Wir haben beide mit unserem eigenen Geist geredet.«
    Guilford überlief ein Schauder. Er wollte das nicht hören. Alles andere, nur das nicht – nicht noch mehr Wahnsinn, nicht jetzt.
    »Im Grunde«, sagte Erasmus, »bin ich bloß ein kleiner Heinie [38] aus der dritten Generation in Wisconsin. Mein Vater hat den größten Teil seines Lebens in einer Abfüllerei gearbeitet, und mir hätte dasselbe geblüht, wenn ich mich nicht nach Jeffersonville abgesetzt hätte. Aber da ist diese andere Welt, wo der Kaiser mit den Briten und den Franzosen und den Russen aneinandergeriet. 1917/18 wurden eine Menge Amerikaner eingezogen, sie mussten über den Teich, um zu kämpfen. Viele sind gefallen.« Er räusperte sich und spuckte einen braunen Schleimbatzen ins Feuer. »In der anderen Welt bin ich ein Geist und in dieser hier bin ich noch aus Fleisch und Blut. Können Sie mir folgen?«
    Guilford schwieg.
    »Aber

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