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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sie war, dachte Guilford, ganz einfach schön. Er verspürte nicht zum ersten Mal das Verlangen, sie zu photographieren. Kurz vor der Hochzeit hatte er ein Portrait von ihr gemacht, war aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden gewesen. Bei Trockenplatten gingen die Feinheiten des Ausdrucks verloren, die Pracht ihres Haars, sieben Graustufen.
    Er setzte sich neben sie und widerstand dem Wunsch, ihre bloßen Schultern über dem Mieder zu berühren. In letzter Zeit schien sie seinen Berührungen eher auszuweichen.
    »Du riechst wie das Meer«, sagte sie.
    »Wo ist Lily?«
    »Sie folgt dem Ruf der Natur.«
    Er wollte sie küssen. Sie sah ihn an, dann hielt sie ihm die Wange hin. Die Wange war kühl.
    »Wir sollten uns zum Dinner zurechtmachen«, sagte sie.
     

     
    Finsternis umhüllte das Schiff. Das spärliche elektrische Licht verengte die Korridore zu Fuchsbauten. Guilford brachte Caroline und Lily zu der trübe erhellten Kammer, die als Esszimmer diente, und gesellte sich zu einer Handvoll Wissenschaftler am Tisch des Schiffsarztes, eines korpulenten und trinkfesten Dänen.
    Die Naturwissenschaftler diskutierten die Klassifikationslehre. Der Arzt redete über Käse.
    »Aber wenn wir ein ganz neues Linnesches System entwickeln…«
    »Wie es die Sachlage erfordert!«
    »… laufen wir Gefahr, einen Zusammenhang der Abstammung zu suggerieren, die Familienzugehörigkeit zu ansonsten wohldefinierten Spezies…«
    »Gjedsar-Käse! Damals gab es Gjedsar-Käse sogar zum Frühstück. Apfelsinen, Schinken, Wurst, Roggenbrot mit Rotem Kaviar. Jede Mahlzeit eine Frokost. [10] Nicht so ein Armutszeugnis wie das hier. Aha!« Der Arzt hatte Guilford erspäht. »Unser Photograph. Und seine Familie. Gnädige Frau! Das kleine Fräulein!«
    Die Speisenden erhoben sich und rückten zusammen. Guilford hatte sich mit einigen Naturwissenschaftlern angefreundet, besonders mit dem Botaniker Sullivan. Caroline, obwohl gern gesehen bei Tisch, hatte kaum Zugang zu den Gesprächen. Aber Lily hatte die Runde für sich gewonnen. Lily war kaum vier Jahre alt, doch ihre Mutter hatte ihr die einfachsten Regeln des Anstands beigebracht, und die Wissenschaftler ließen sich durch ihre Neugierde nicht stören… mit einer Ausnahme vielleicht; Preston Finch, der älteste Naturwissenschaftler der Expedition, konnte mit Kindern nichts anfangen. Doch der saß am anderen Ende des langen Tisches und belegte einen Harvard-Geologen mit Beschlag. Lily saß neben ihrer Mutter und faltete methodisch ihre Serviette auseinander. Ihr Näschen guckte gerade mal über die Tischkante.
    Der Arzt strahlte – leicht alkoholisiert, wie Guilford feststellte. »Klein Lilian sieht hungrig aus. Magst du ein Schweinekotelett, Lily? Ja? Mager aber essbar. Und Apfelmus?«
    Lily nickte und gab sich Mühe, nicht mit den Augen zu plimpern.
    »Gut. Gut. Lily, das große Meer haben wir halbwegs hinter uns. Das große Europa winkt. Freust du dich?«
    »Ja«, sagte sie artig. »Aber wir fahren nach England. Nur Daddy fährt nach Europa.«
    Wie die meisten Leute machte Lily einen Unterschied zwischen England und Europa. Obwohl England von dem Wunder genauso betroffen war wie Deutschland oder Frankreich, hatten die Überlebenden ihre territorialen Ansprüche erfolgreich durchgesetzt, bauten London und die Seehäfen wieder auf und wachten eifersüchtig über ihre Flotte.
    Preston Finch wurde hellhörig. Vom Fußende des Tisches blickte er stirnrunzelnd über seinen buschigen Schnauzbart hinweg. »Ihre Tochter trifft da eine falsche Unterscheidung, Mr. Law.«
    Die Tischgespräche auf der Odense waren nicht so lebhaft, wie Guilford gedacht hatte. Ein Teil des Problems war Preston Finch, der Verfasser von Appearance and Revelation, [11] dem Urtext Noachitischer Naturwissenschaft noch vor dem Wunder von 1912. Finch war groß, grau, humorlos und strotzte vor Selbstbewusstsein. Sein Leumund war makellos; er hatte zwei Jahre am Colorado und Rouge River zugebracht, um Beweise für eine globale Überschwemmung zu sammeln, und war seit dem Wunder eine treibende Kraft in der Noachitischen Renaissance gewesen. Alle anderen benahmen sich mehr oder weniger wie bekehrte Sünder, bis auf den Botaniker Dr. Sullivan, der älter als Finch und so selbstsicher war, diesen gelegentlich mit einem Zitat von Wallace oder Darwin zu ärgern. Bekehrte Anhänger der Evolutionslehre mit weniger Autorität mussten vorsichtiger sein. Alles lief auf ein angespanntes und verhaltenes Tischgespräch hinaus.
    Guilford selbst

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