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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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Miststück!«, sagte Nick im Auto.
    Guilford bedachte ihn mit einem fahrigen Blick. »Du wolltest auf deine Sprache achten, Nick.«
    »Du hast es zuerst gesagt.«
    »Ich?«
    »Ungefähr fünfmal in den letzten zehn Minuten. Und zu schnell fahren wir auch.«
    Guilford nahm das Tempo zurück. Ein wenig. Nick entspannte sich. Sommerbraunes Wildland flog an den staubigen Fenstern des Ford vorbei.
    »Verdammtes Miststück«, sagte sein Vater.
     

     
    Abby würde in Sorge sein, aber sie war nicht in Gefahr. Warum hatte er es dann so eilig, nach Hause zu kommen? Der Einsatzleiter der Feuerwehr und der Sheriff hatten angerufen. »Das kann alles bis morgen warten«, sagte er zu Abby. »Lass uns verriegeln und schlafen gehen.«
    »Kannst du denn schlafen?«
    »Wahrscheinlich nicht. Nicht sofort. Decken wir wenigstens Nick noch zu.«
    Als Nick versorgt war, setzte Guilford sich an den Küchentisch, derweil Abby die Kaffeemaschine anwarf. Kaffee zu mitternächtlicher Zeit signalisierte eine Familienkrise. Abby hantierte mit der ihr eigenen Ökonomie. Heute Nacht zumindest ähnelte ihre Augenpartie der von Nick.
    Abby war mit ausgesprochener Anmut gealtert. Sie war stämmig aber nicht dick. Wäre nicht der Grauschimmer an ihren Schläfen gewesen, hätte man sie für fünfundzwanzig halten können.
    Sie bedachte Guilford mit einem langen Blick, schien etwas mit sich selbst auszutragen. Schließlich sagte sie: »Du könntest ebenso gut darüber sprechen.«
    »Wie meinst du das, Abby?«
    »Den ganzen Monat bist du schon nervös wie eine Katze. Abends rührst du kaum das Essen an. Und jetzt das.« Sie hielt inne. »Die Feuerwehr sagt, es war kein Unfall.«
    Jetzt war es an ihm zu zaudern. »Tim Mackelroy sagt, es waren zwei selbstgebastelte Benzinbomben, sie kamen durchs Fenster.«
    »Verstehe.« Sie faltete die Hände. »Guilford, warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was hat dich denn so bedrückt?«
    Er schwieg.
    »Ist es etwas von vor unserer Zeit?«
    »Glaub ich nicht.«
    »Du erzählst nämlich wenig aus dieser Zeit. Das ist in Ordnung – ich muss nicht alles über dich wissen. Aber wenn wir in Gefahr sind, wenn Nick in Gefahr…«
    »Abby, ehrlich, ich weiß es nicht. Stimmt, ich mache mir Sorgen. Jemand hat mein Geschäft angezündet, und entweder war es einfach nur ein Irrer oder irgendjemand da draußen, der meint, er hätte eine alte Rechnung zu begleichen. Alles, was ich tun kann, ist verriegeln und morgen früh mit Sheriff Carlyle reden. Du weißt, ich würde nie zulassen, dass dir oder Nick etwas zustößt.«
    Sie starrte ihn lange an. »Ich geh dann ins Bett.«
    »Schlaf, wenn du kannst«, sagte Guilford. »Ich bleib noch ein bisschen auf.«
    Sie nickte.
     

     
    Brandstiftung.
    Der Fremde an der Tür.
    Der Wachsoldat.
    Man lässt etwas hinter sich, dachte Guilford, und die Zeit vergeht, zehn, fünfzehn, fünfundzwanzig Jahre, und damit sollte es dann gut sein.
    Er erinnerte sich noch lebhaft an alles, alles hatte die leuchtenden Farben eines Traums angenommen, der mörderische Winter in der uralten Stadtruine, die Seelenqualen in London, der Verlust von Caroline und Lily. Aber, Jesus, das lag ein Vierteljahrhundert zurück – sollte er etwas mit dem. Leben bezahlen, das so lange zurücklag?
    Aber wenn das nun stimmte, was ihm damals der Wachsoldat erzählt hatte…
    …was er als Fieberphantasien abgeschrieben hatte, als verzerrte Erinnerung, als Halluzination…
    … falls es stimmte, dann waren fünfundzwanzig Jahre nicht mehr als ein Augenblick. Götter hatten ein langes Gedächtnis.
    Guilford trat ans Fenster. Die Bucht war finster bis auf die Lichter von zwei, drei Handelsschiffen. Ein trockener Wind spielte mit den Spitzengardinen, die Abby aufgehängt hatte. Die Sterne blinzelten.
    Die Zeit der Wahrheit ist gekommen, dachte Guilford. Kein Wunschdenken mehr. Nicht wenn deine Familie auf dem Spiel steht.
    Es ist nicht ausgeschlossen, gestand er sich ein, dass nun alte Schulden eingetrieben wurden.
    Die unbequeme Frage: Hätte er das verhindern können?
    Nein.
    Voraussehen?
    Vielleicht. Er hatte sich oft genug gefragt, ob er nicht eines Tages doch noch Farbe bekennen musste. Soweit die Welt wusste, war die Finch-Expedition einfach in der Wildnis zwischen Bodensee und Alpen verschwunden. Und die Welt war ohne ihn zurechtgekommen, gut sogar.
    Was, wenn sich das geändert hatte?
    Abby und Nicholas, dachte Guilford.
    Ihnen darf nichts zustoßen.
    Egal, was die Götter wollten.
     

     
    Zwei Stunden vor

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