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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia Kostenlos Bücher Online Lesen
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Tagesanbruch folgte er Abby ins Bett. Er wollte nicht schlafen, nur die Augen schließen. Ihre Gegenwart, die sanfte Musik ihres Atems beruhigten seine Gedanken.
    Er wurde wach, als die Sonne durchs Ostfenster schien und Abby ihm die Hand auf die Schulter legte, sie war vollständig angezogen.
    Er setzte sich auf.
    »Er ist wieder da«, sagte sie. »Der Mann.«

 
Kapitel Achtundzwanzig
     
     
     
    Ihm ging durch den Kopf, was dieses Vierteljahrhundert aus dem Kontinent gemacht hatte.
    Neue Häfen, Siedlungen, Flottenstützpunkte. Schienen und Straßen ins Landesinnere. Zechen und Raffinerien. Flugplätze.
    Die Einteilung in Verwaltungsbezirke, gewählte Gouverneure, Rundfunk. Parzellierung der russischen Steppe diesseits der vulkanischen Zone zwischen Darwinia und Alt-Asien. Scharmützel mit den Arabern und Türken. Die Bombardierung von Jerusalem, dieser neue Krieg mit den Japanern, im Norden die Krawalle gegen die allgemeine Wehrpflicht.
    Und noch so viel unerschlossenes Land. Unermessliche Weiten an Wäldern und Prärien, in denen man untertauchen – geradezu verschwinden konnte.
    Abby hatte den Fremden zum Frühstück eingeladen. Er saß am Tisch und arbeitete sich durch einen kleinen Berg an Pfannkuchen. Messer und Gabel handhabte er wie ein Fünfjähriger. In dem Gestrüpp von Bart glitzerte ein Tropfen Kornsirup.
    Guilford stierte den Mann an, ein Sturzbach von Empfindungen brach über ihn herein: Schreck, Erleichterung, alte Ängste.
    Der Grenzer spießte den letzten Bissen auf die Gabel und sah auf. »Guilford«, sagte er lakonisch. »Lange her.«
    »Lange her, Tom.«
    »Was dagegen, wenn ich rauche?«
    Eine neue Bruyere. Ein ramponierter Kleidersack aus Flussried.
    Guilford sagte: »Gehn wir an die frische Luft.«
    Abby berührte ihn fragend am Arm. »Bezirkspolizei und Feuerwehr wollen, dass du zurückrufst. Und wir müssen mit der Versicherung reden.«
    »Schon gut, Abby. Tom ist ein alter Freund. Alles andere hat Zeit. Was verbrannt ist, ist verbrannt. Wozu die Eile?«
    Ihre Augen drückten ernsten Vorbehalt aus. »Wie du meinst.«
    »Nick soll heute im Haus bleiben.«
    »Und vielen Dank für die Bewirtung, Mrs. Law«, sagte Tom Compton. »Hat prima geschmeckt.«
     

     
    Der Grenzer hatte sich in fünfundzwanzig Jahren nicht verändert. Er war stämmiger geworden seit jenem schrecklichen Winter – sah gesünder aus – der Bart war gestutzt. Aber alles Wesentliche war unverändert. Das Gesicht war ein bisschen gegerbter, aber gealtert – nein.
    Wie bei mir, dachte Guilford.
    »Gut siehst du aus, Tom.«
    »Wir haben die Gesundheit von Pferden, warum, müsste dir eigentlich klar sein. Was sagst du den Leuten, Guilford? Schwindelst du, wenn sie dich fragen? Für mich war das nie ein Problem – ich war nie lange an einem Ort.«
    Sie saßen auf der knarrenden Veranda vor dem Haus. Morgenluft strich von der Bucht bergauf, frisch wie kühles Wasser und nach sprießenden Dingen duftend. Tom stopfte sich die Pfeife, zündete sie aber nicht an.
    Guilford sagte: »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Yeah, du weißt es. Du weißt auch, dass ich nur hier bin, weil es wichtig ist. Reden wir nicht lange um den heißen Brei, okay?«
    »Es ist fünfundzwanzig Jahre her, Tom.«
    »Nicht, dass ich nicht kapiert hätte, was auf dem Spiel steht. Unter uns, ich hab zehn Jahre gebraucht, bis ich in die Knie ging und mir gesagt hab, okay, die Welt geht den Bach runter und dich haben sie ausgeguckt, um zu helfen, dass sie das nicht tut. So was willst du einfach nicht wahrhaben. Wenn es stimmt, dann hab ich die Hosen gestrichen voll, und wenn nicht, dann gehören wir alle in die Klapsmühle.«
    »Wir alle?«
    Der Grenzer hielt das Streichholz an den Pfeifenkopf. »Es gibt einen ganzen Haufen von uns – Hunderte. Komisch, dass du das nicht weißt.«
    Guilford saß eine Zeit lang schweigend in der Morgensonne. Er hatte zu wenig geschlafen. Seine Glieder taten weh, die Augen brannten. Vor knapp zwölf Stunden war er noch in Fayetteville gewesen und hatte vor dem ausgebrannten Laden gestanden. Er sagte: »Ich will ja nicht ungastlich sein, aber ich habe eine Menge zu erledigen.«
    »Du musst damit aufhören.« Die Stimme des Grenzers klang beinah salbungsvoll. »Jesus, Guilford, sieh dich doch an, du lebst wie ein gewöhnlicher Sterblicher, bist verheiratet und hast auch noch ein Kind im Haus. Das soll kein Vorwurf sein. Ich hätte mir auch ein andres Leben gewünscht. Aber wir sind nun mal, was wir sind. Du und Sullivan,

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