Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
Vom Netzwerk:
reichte nicht aus, um das Feuer zu löschen.
    Stumm schaute er zu. Sprachlos. Der Himmel war mit safrangelben Streifen durchzogen, die durch gebieterische weiße Wolken und schwarzen Rauch tanzten. Die elegant geschnitzte Holztür, römische Skulpturen, Möbel, sogar der Innenhof wurden vom sich schnell ausbreitenden Flammenmeer verschluckt.
    Aber wo war Autumn? Wo konnte sie sein?
    Er wanderte auf und ab, fragte herum, ob jemand eine Rothaarige gesehen habe. Mehrere zitternde, weinende und fluchende Gäste schüttelten den Kopf. Eine Frau unterdrückte einen Schrei, als der hölzerne Bogengang des ersten Stocks in strudelnden roten Flammen aufging. Helle Asche flog durch die Luft und zeichnete sich in einem seltsamen Muster gegen den schwarzen Rauch ab.
    Paul ließ seinen Blick über das heiße und brüllende Feuer schweifen, aber durch seinen Körper rollte kalte Angst. Mit der Hand versuchte er sein Gesicht vor der Hitze der Flammen zu schützen. Raue Gefühle kochten in seiner Stimme über, und er schrie auf, stöhnte vor Schmerzen. Hässliche, rohe Laute erfüllten die Luft. War das
seine
Stimme? Dann klang ein unbekanntes Geräusch wieder und wieder in seinem Ohr. Das Schlagen seines Herzens?
    Er musste etwas tun. Irgendetwas. Autumn war immer noch irgendwo in dem
hôtel privé
, eingeschlossen vom Rauch und – Gott stehe ihr bei – womöglich bei lebendigem Leib verbrennend.
    Ohne nachzudenken rannte Paul zum
hôtel privé
zurück, um Autumn zu suchen. Er würde sie finden. Er durfte nicht versagen. Musste sie retten …
    Er hielt inne. Ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte, Flammenbälle sprangen vom Balkon im ersten Stock, blockierten seinen Weg. Ihre wabernden menschlichen Formen leckten sein Gesicht mit ihrem heißen, dampfenden Atem und warnten ihn davor, näher zu kommen. Die Luft wurde immer schwerer und dunkler, erstickte ihn beinahe. Blitze schossen über den Himmel. Donner dröhnte. Beißender schwarzer Rauch umfing ihn und nahm ihm jegliche Hoffnung, Autumn noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Die erstickende Dunkelheit hatte ihn fest im Griff und erinnerte ihn an das letzte Bild, das er von Autumn hatte, den Blick in ihren Augen, die Worte, die sie sagte …
ich habe diese schreckliche Vorahnung, dass wir uns dann nie wiedersehen werden.
    Ihre Worte stürzten ihn in ein kaltes Loch der Angst. Er konnte nicht aufhören, zu zittern. Seine Zähne klapperten. Die Lippen bebten.
    Er rannte zum Haus zurück.
    “Ihr könnt dort nicht mehr hineingehen, Monsieur!”, schrie ihm jemand nach. “Das ganze Haus brennt.”
    “Ich muss”, schrie Paul zurück und hörte nicht auf die Warnung. “Ich muss die Frau retten, die ich liebe.”
    Einen Moment, bevor ich Paul verlasse und die Treppe hinunterlaufe, höre ich ein lautes Grollen. Donner. Dann überkommt mich große Kälte, und ich beginne zu zittern, als ob mir jemand ein Messer gegen die Haut drückt, die silberne Klinge fährt über meinen nackten Rücken, ritzt meine Haut, bis ich Gänsehaut bekomme.
    Was passiert gerade?
    Ich zittere, als ob ich heruntergezogen werde, immer tiefer, in … in was? Ich weiß es nicht, habe auch keine Zeit, darüber nachzudenken, kann nur rennen.
    Meine hochgeknöpften Stiefel klappern hart auf den Stufen des engen Treppenhauses, und meine lauten Schritte übertönen die Zweifel in meinem Hirn. Ich laufe, zwei oder drei Stufen auf einmal nehmend, nach unten. Die Gedanken rasen, und mein Herz schlägt wie wild. Schweiß rinnt mir über das Gesicht.
    Die Hoffnungslosigkeit überkommt mich in dem Moment, als ich es am wenigsten erwarte. Kälte sticht mir ins Gesicht. Ein elektrischer Schlag durchzuckt meinen Körper und verbrennt meine Haut. Meine Schuhe fühlen sich feucht an, und der Samtvorhang, in den ich mich gehüllt habe, klebt an meinen Schultern. Übelkeit überkommt mich, und ich verliere fast das Gleichgewicht. Ich habe Angst.
    Angst davor, niemals zurückzukommen.
    Davor, Paul niemals wiederzusehen.
    Ich stolpere über meine eigenen Füße, und meine Knie geben unter mir nach. Bevor ich das Gleichgewicht wiedererlange, kommt mir ein gewagter Gedanke.
Die gleiche Kälte, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt, habe ich schon einmal gespürt, bevor ich …
    Mir bleibt fast das Herz stehen. Plötzlich kommen alle Erinnerungen wieder zurück. Das Studio im Quartier Marais, das Gefühl der Dunkelheit, das Knistern und Summen von elektrischer Spannung.
Trete ich jetzt die Rückreise in meine eigene Zeit

Weitere Kostenlose Bücher