Das Aktmodell
und ihm wurde fast schlecht davon.
Das Feuer schien außer Kontrolle geraten zu sein. Es verschlang den Altar, die Vorhänge, die Tapeten an den Wänden und sprang dann auf die Stühle und Sessel über. Der Anblick der nackten und schreienden Frauen und der fluchenden Männer stieß ihn ab. Er wollte sich aus dieser Welt für immer verabschieden.
Um seine eigene Haut hatte er keine Angst. Nichts war mehr für ihn von Bedeutung außer Autumn. Er riss ihr die spärliche Bekleidung vom Leib und zerknüllte sie in seinen Händen. Er fühlte keinen Schmerz, obwohl ihm der Geruch seines eigenen verbrannten Fleisches in die Nase stieg. Und der Rauch. Vermischt mit den Räucherstäbchen und den Gewürzen ergab er eine tödliche Mischung, die ihn zum Würgen brachte; die drohte, Autumn zu ersticken. Sie hustete, spuckte und der Schweiß glänzte auf ihren Brüsten. Er riss eine samtene Gardine von der Stange und warf sie Autumn um die Schultern. Sie dankte ihm mit den Augen und zog den Stoff fest um ihren Körper. Der Saum ihres Petticoats war angesengt, aber sie war nicht verletzt.
Paul machte sich schwere Vorwürfe. Wenn er bei dem Duke nicht so unentschieden gewesen wäre, dann hätte Autumn sich nicht diesem Horror aussetzen müssen. Dann wären sie jetzt nicht in dieser Todesfalle und würden auch nicht atemlos nach Luft schnappen und fast ersticken. Er hatte nur den Wunsch, möglichst schnell aus diesem Gebäude zu kommen.
“Versuche die Geheimtür zu erreichen”, rief er Autumn zu. “Halte dich in meiner Nähe und bleib nicht stehen.”
In den darauffolgenden Minuten war die Atmosphäre chaotisch, und die Stimmung der Gäste schwankte zwischen Panik und Verärgerung darüber, dass der Spaß jetzt zu Ende war. Paul hatte nur seine Mission im Kopf. Er hielt Autumns Hand und zog sie durch den Grand Salon. Mit einem Arm um ihre Taille und in der anderen Hand die Pistole, hatte er die Augen starr nach vorn gerichtet und strebte dem Ausgang zu.
In der Mitte des Raums war der Rauch besonders heftig, Dachsparren flogen herum, Möbel verbrannten zu Asche, und das Feuer verschlang alles, was sich ihm in den Weg stellte. Er sah zwei Mädchen in Vorhänge gehüllt, die Madame Chapet mit sich zogen und nach einem Fluchtweg suchten.
Wo war die Geheimtür? Die Tür mit der Medusamaske? Wo war sie?
Die Flammen kamen immer näher. Fenster explodierten überall um sie herum. Paul duckte sich in eine Ecke und zog Autumn mit sich. Ein Blitzstrahl schoss durch das zerbrochene Fenster, und darauf folgte ein lauter Donnerschlag. Aber es fiel kein Regen.
Schnell zog Paul sich seine Hosen über, die er unter der Robe versteckt hatte und die ihn jetzt vor dem Feuer schützen sollte. Hustend und keuchend versuchte er durch den Rauch zu schauen. Endlich entdeckte er eine kleine Tür, die sich in einem Wandgemälde befand – eine kleine Gartentür. Sie war so klein, dass man nur gebückt hindurchgehen konnte. Oder war es einfach nur ein
trompe-l’œil
, eine künstlerische Sinnestäuschung? So wie in vielen Wandgemälden?
Er musste es trotzdem versuchen. Er würde alles tun, um hier herauszukommen und Autumn zu retten. Er trat gegen die kleine Tür, und Dunkelheit begrüßte ihn, kühl und angenehm ohne das grelle Licht. Es war eine ganz andere Treppe als die, durch die er heute Abend gekommen war.
“Ist das ein Weg nach draußen?”, fragte Autumn.
“Ich weiß es nicht. Bleib hinter mir. Ich werde es herausfinden”, sagte Paul und trat zur Seite. Die Flammen hinter ihm waren jetzt auf makabre Weise seine Rettung, denn sie warfen genügend Licht auf die Treppe, damit er erkennen konnte, dass sie mindestens zwei Stockwerke nach unten führte. Weiter konnte er nicht sehen.
“Nimm meine Hand, schnell, bevor das Treppenhaus sich mit Rauch füllt.”
Er holte tief Luft, und ohne zurückzuschauen zog er Autumn mit sich nach unten, als er ein lautes Rufen hörte …
“Borquet! Helft mir, bitte!”
Paul wirbelte herum, seine Pistole nach vorn gerichtet und seinen Finger am Abzug. Sein Herz raste, und seine Gedanken überschlugen sich. Der Duke torkelte auf sie zu und hielt sich die Brust … oder war es die Schulter? Die andere Hand war ausgestreckt, und Blut rann über seine Finger. In seinen Augen spiegelte sich schreckliche Furcht. Der Engländer wusste, dass er verbrennen würde. Er fiel auf den Boden.
Der Mann war sein Bruder.
Paul wusste, was zu tun war.
Als Erstes musste er Autumn nach draußen bringen. Er musste sie
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