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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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dazu bewegen, weiterzugehen, nicht stehen zu bleiben.
    “Renn, Autumn, die Treppe runter, jetzt! Ich werde dir gleich folgen.”
    Sie drehte sich um, und ein herzzerreißender Schrei kam aus ihrer Kehle. “Nein, Paul. Ich kann nicht. Ich will nicht … ich habe eine schreckliche Vorahnung, dass ich dich dann niemals wiedersehen werde.”
    “Ich kann es nicht zulassen, dass mein Bruder verbrennt, Autumn. Lauf!”
    Sie zögerte nur einen Moment und sagte dann: “Ich verstehe.”
    Paul sah die Furcht in ihren Augen, aber sie stellte keine weiteren Fragen. Sie beugte sich nach vorn, raffte ihre Petticoats, verschwand durch die kleine Tür und rannte nach unten. Paul hörte noch ihre Schritte, zartes Klappern, das sich wie ein Echo anhörte, dann war Stille. Als ob sie sich in Luft aufgelöst hätte. Aber er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, das Feuer saß ihm im Nacken, heiß, knisternd, tanzende gelbe Flammen mit silbernen Rändern.
    Wo blieb der Regen?
    Er rannte zum Duke und entledigte sich der Waffe, die er jetzt nicht mehr benötigen würde. Dann hob er den schlaffen Körper seines Bruders hoch und legte ihn sich über die Schultern. Er war noch nicht tot, das hörte er an seinem Atmen und wie er nach Luft schnappte. Mit der einen Hand versuchte Paul sein Gesicht zu schützen, und mit der anderen hielt er den Mann auf seinem Rücken fest. Paul schaute sich nach der kleinen Treppe um.
    Merde
, dieser ganze Alkoven war jetzt in ein Flammenmeer getaucht. Die Tür war nicht mehr zu sehen, und die ganze Wand mit den
trompe l’œil
-Gärten brannte schnell herunter. Nur Papierfetzen blieben übrig. Wohin hatte er Autumn geschickt? In ihren Tod?
    Nein, das glaube ich nicht.
    Die nächsten Minuten wanderte er im Kreis, wich fallenden Balken und züngelnden Flammen aus, sein Gesicht nass vor Schweiß, den Bruder über der Schulter hängend.
    “Hier herüber, Monsieur!”, hörte er eine Stimme aus der anderen Richtung rufen.
    Wo? Wo?
    Er folgte dem Klang der Stimme, und der Rauch schien sich etwas zu verflüchtigen. Er musste in einem Teil des Hauses sein, das vom Feuer noch verschont geblieben war. Er lehnte sich nach vorn, blinzelte, und mit dem schlaffen Körper des Duke über der Schulter sah er zwei Männer in roten Roben, die vor der Tür mit der Medusamaske standen.
    Da war sie! Er stöhnte und nahm seine ganze Kraft zusammen. Schnell bewegte er sich vorwärts und stürmte mit dem bewusstlosen Duke über die Treppe nach unten. Er nahm mehrere Stufen gleichzeitig, und einige Male wäre er beinahe gestolpert. Der Mann auf seiner Schulter wog schwer.
    Die ganze Zeit überschlugen sich seine Gedanken. Wohin hatte er Autumn geschickt? War sie in Sicherheit? Hatte sie es geschafft?
    Endlich näherte er sich dem Ende der Treppe. Er hatte Angst, dass die Tür vielleicht geschlossen war, dass er vielleicht seinen Bruder gerettet, aber dabei Autumn verloren hatte. Ohne zu zögern trat er gegen die Tür und schrie fast vor Erleichterung, als er die feuchte Morgenluft spürte und ein leichter Nieselregen ihn begrüßte. Er füllte seine Lungen mit frischer Luft und legte den Duke ins Gras.
    Atemlos und mit rasendem Puls legte er sein Ohr auf die Brust des Duke. Er atmete noch und er schien nicht schwer verletzt zu sein. Seine Bewacher scharten sich sofort um ihn und warfen dem Künstler misstrauische Blicke zu. Dann wandten sie sich wieder dem bewusstlosen Mann in dem schwarzen Kapuzenumhang zu.
    “Kümmert Euch um meinen Bruder, Messieurs”, war alles, was Paul sagte.
    Dann lief er durch die Menge, die sich vor dem
hôtel privé
versammelt hatte. Eine Reihe von Frauen weinte, einige Männer fluchten, und die meisten versuchten ihre Nacktheit unter angesengten Kleidungsstücken zu verbergen. Blanke Brüste, rot versengt von den Flammen, nackte Hintern mit schwarzen Rußstreifen, kohlschwarz gefärbtes Schamhaar. Eine Melange zitternder Leiber, die noch vor wenigen Augenblicken als mondäne Mitglieder der Gesellschaft nichts anderes im Kopf hatten, als ihre Gelüste zu erfüllen. Nun schrien und kreischten sie wie ängstliche Tiere.
    Paul ließ seinen Blick nach rechts und nach links schweifen, doch nirgendwo konnte er Autumn entdecken.
    Sie ist nicht hier. Sie ist nicht hier.
    Das bedeutet, dass sie …
    Nein!
    Paul stöhnte laut. Vor seinen Augen und innerhalb weniger Minuten brannte das gesamte
hôtel privé.
Die Flammen loderten aus dem dritten Stock, brodelnd, brüllend. Der leichte Nieselregen

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