Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
Kaffee und Pfannkuchen entgegen, und aus der Küche ertönte fröhliches Quieken und Gelächter. Dann nahm er allen Mut zusammen, schaute sich in seiner Wohnung um – und war sprachlos.
Heute Morgen noch hatte er eine saubere, ordentliche und vor allem übersichtliche Wohnung in der Judenstraße verlassen. Jetzt stand er inmitten eines Pflanzendschungels und asymmetrisch verrückter Möbelstücke. Manuela Rast hatte aus seinen seit Jahren unveränderten Geometrien einen grünen Urwald gemacht. Nicht dass er die Veränderungen unästhetisch fand, eigentlich nicht, das Ganze hatte schon Stil, wie er zugeben musste, aber es machte ihm auch irgendwie Angst. Wo waren die rechten Winkel hin, an die er sich so gewöhnt hatte?
Er wurde durch Riemenschneider unterbrochen, die sich aus der Küche auf ihn stürzte und ihn aufs Heftigste begrüßte, indem sie ihm den Schuh ableckte.
»Na, du Schwein, was hast du denn aus meiner Wohnung gemacht?« Er nahm sein kleines Ferkel auf den Arm und ging in die Küche.
Drinnen saßen die zwei Streifenbeamten beim fröhlichen Plausch, während Manuela die wer weiß wievielte Runde Kaffee servierte. Ansonsten hatte die grüne Wildnis hier genauso Einzug gehalten wie im Rest der Wohnung. Kein Wunder, dass Huppendorfer so lange beschäftigt gewesen war.
»Ah, der Herr des Hauses.« Der eine Streifenbeamte hob symbolisch die Tasse zum Gruß.
»Hallo, Herr Kommissar!« Manuela Rast streckte ihm einen großen Humpen Kaffee entgegen. »Ich hoffe, ich habe Ihre Wohnung nicht zu stark verändert? Aber ich wusste einfach nicht, wohin mit meinen Pflanzen.«
Bevor Haderlein noch etwas erwidern konnte, äußerten sich bereits ungefragt die Herren Polizisten. »Eine tolle Wohnung haben Sie da, Herr Kommissar. So grün, so freundlich!«
»Und diese cleveren Linienführungen mit den Möbeln, Donnerwetter! So was hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, Herr Kommissar«, mischte sich der andere in die Lobhudelei ein und nickte ihm mit offener Bewunderung zu.
Haderlein blickte von einem zum anderen, räusperte sich vernehmlich und meinte dann nur kurz: »Tja, Geschmack muss man eben haben und Mut zur Veränderung.« Dann nahm er einen großen Schluck Kaffee und blickte Manuela Rast ratlos an. Er konnte selbst nicht glauben, was er da redete. Franz Haderlein? Mut zu Veränderung? Es war wohl besser, zuerst einmal der Arbeit nachzugehen. Da befand er sich wenigstens auf sicherem Gebiet. Über die neue Wohnsituation musste er später in Ruhe nachdenken.
»Tja, ich wollte mich eigentlich sowieso nur vergewissern, dass hier auch alles in Ordnung ist«, meinte er beiläufig. »Ich geh dann mal wieder.« Er stellte seine noch halb volle Kaffeetasse auf den Küchentisch, der neuerdings mit einer Tischdecke bedeckt und einer Blumenvase verziert wurde, und verabschiedete sich freundlich, aber ohne weiteres Aufheben Richtung Geistlichkeit.
*
Lagerfeld saß tief gebeugt über seinen Prüfungsfragen und hatte schon die ersten Schwierigkeiten.
Nennen Sie drei typische Fischkrankheiten!
Er hatte keine Ahnung. Sicherheitshalber tippte er mal auf Grippe, Pest und Schuppenschimmel. Was Blöderes fiel ihm gerade nicht ein, und irgendwas musste er ja hinschreiben, ansonsten würde er auffallen. Nächste Frage.
Zu welcher Familie der Fische gehört der Blei?
Ach du lieber Gott! Von einem Fisch namens Blei hatte Lagerfeld in seinem ganzen Leben noch nie etwas gehört. Hätte man nicht nach Aal, Karpfen oder Hecht fragen können? Blei, was für ein bescheuerter Name für einen Fisch.
»Der Blei gehört gewichtsbedingt zur Gattung der Sinkfische«, schrieb er schließlich, ohne Hoffnung auf Korrektheit der Antwort zu haben.
Wie heißt das weibliche Geschlechtsprodukt beim Fisch?
Lagerfelds Stimmung besserte sich. Endlich mal eine Frage, die man auch mit seinem gesunden Menschenverstand beantworten konnte. Die war ja einfach. Die Antwort lautete ganz eindeutig »Kind«. Zumindest das klang richtig. Durch seinen Erfolg ermutigt stürzte Lagerfeld sich auf den Rest der Prüfungsfragen.
*
Altbischof Manfred Griebel saß in seinem Stuhl im Lesezimmer, als ihm die Haushälterin Besuch meldete. Der achtundsiebzigjährige Bischof war verwundert. Es hatte sich kein Gast angemeldet, wie es doch in der Regel üblich war. Er legte seine Schrift, die er gerade studiert hatte, auf die Seite und bedeutete seiner Haushälterin, den Besuch vorzulassen. Altbischof Griebel war immer noch außerordentlich rüstig für sein Alter
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