Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
Bundesland, oder man verdingte sich mit ehrlicher Arbeit. Fritz Helmreich entschied sich für Letzteres. Ein Bootsverleih war schließlich weitab von jeglicher Wahrscheinlichkeit, je von der Politik belästigt zu werden. Tja, da hatte er wohl danebengelegen. Jetzt jedenfalls steckte er mittendrin im Politsumpf – und auch noch an vorderster Front. Nicht dass er sich darum gerissen hätte. Aber es lag ihm einfach, zu reden und zu argumentieren. Er konnte ja auch nichts für seine Gene und kam vor allem nicht gegen sie an. Also war er nun mal hier mit dieser Aufgabe gelandet. Auch gut.
Er hob seinen Krug, um auf dessen fatale Leere aufmerksam zu machen, als von draußen hektische Rufe zu ihm hereindrangen. Wahrscheinlich war bei denen das Bier auch alle. Er schwenkte weiter sein Seidla mit dringendem Wunsch nach erneuter Befüllung, doch die Stimmen von draußen wurden immer lauter.
Plötzlich stürzte der Vertreter des Deutschen Kanuverbands aus München in den Gastraum und rief mit panisch weit aufgerissenen Augen: »Fritz, Fritz, komm sofort! Da ist was mit dem Main. Ich glaube, wir kriegen Hochwasser. Und zwar schnell!«
Helmreich glaubte, sich verhört zu haben. Hochwasser? Völlig unmöglich. Die Pegelstände wurden von ihm jeden Tag abgefragt, und eigentlich war das Wasser schon seit drei Tagen so niedrig, dass gar nicht mehr Kanu gefahren werden durfte. Hochwasser war so was von unrealistisch, vor allem bei der andauernden Trockenheit. Verwirrt ging er mit nach draußen.
»Da, schau dir die Schweinerei an!«, rief ihm der Vorsitzende vom Faltboot-Club Bamberg zu. »Die schrecken vor nichts zurück! Egal wie se des gemacht ham, aber sie hams gemacht. Jetzt musste was unternehma, Fritz! Es langt!«
Ungläubig betrachtete Helmreich die Szenerie. Er traute seinen Augen nicht.
Das Ufer war verschwunden. Und mit ihm Zelte, Boote und Bootsfahrer. Wer konnte, hatte sein Boot noch schnell den Hang hinauf Richtung Ortsmitte gezerrt. Die meisten allerdings hatten nur noch sich selbst retten können und standen nun wie alle anderen wortlos aneinandergedrängt am neuen Ufer, der Dorfstraße. Der Main hatte die Einstiegsstelle gefressen, die Zelte waren weg, die meisten Boote verschwunden und die bierselige Piratenstimmung auch. Fassungslosigkeit machte sich breit. Wie konnte das passieren? Hochwasser ohne Regen? Wie auch immer, der Main hatte die größte Paddlerdemo, die Franken je zu sehen bekommen hätte, ohne Wenn und Aber aufgelöst.
*
Der Mann hielt eine doppelläufige Schrotflinte in der Hand und war offensichtlich zu allem entschlossen. Sein Gesicht leuchtete vor Erregung puterrot.
»So, jetzert hab ich dich«, zischte er durch seine gelben Zähne.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihr letztes Stündlein hatte geschlagen. Der Mann schien es offensichtlich bitterernst zu meinen.
»Des wars, Mylady. Jetzert ist endlich dei Linie ausgelöscht. Unner Schuld is gedilchd. Gleich wirscht du in der Hölln schmoren, du Schlambe.« Der große Unbekannte mit der verschlissenen Cordhose und den braunen Gummistiefeln legte das Gewehr an die Backe. Da ertönte eine ferne Melodie. Beethovens Neunte. Sie wiederholte sich in einer unendlichen Schleife.
»Was solln der Scheiß?«, maulte der Mann und hielt noch schnell zwei Finger an die Nase, um kurz und gründlich auf die Seite zu rotzen. Der eitergelbe Treffer floss träge tropfend die strahlend weiße Fliese hinunter.
Sie sah sich verzweifelt um, aber weit und breit war niemand zu sehen, der ihr hätte helfen können. Nur geflieste Wände überall. Und der Mann stand genau zwischen ihr und der einzigen Tür, die nach draußen führte. Es war kalt, sie zitterte, und sie saß in der Falle.
»Da spielt dir noch aaner a Abschiedslied, Maadla«, kicherte der Typ. Dann irrlichterte sein unsteter Blick zurück zu seinem auserkorenen Ziel. »Na, vo mir aus. Aber mir langts etzerd. Adela!«
Er drehte sich um. Der Gewehrlauf schwebte nur etwa zehn Zentimeter vor ihr in der Luft. Noch nie in ihrem erst kurzen Leben hatte sie so panische Angst gehabt. Beethoven tönte immer lauter durch den gefliesten Kerker, aber der Mann schien wild entschlossen zu sein. Er zielte kurz und drückte ohne weitere Verzögerung ab. Es gab einen dumpfen Knall, Pulverdampf quoll in Zeitlupe aus dem Lauf – und Riemenschneider wachte quiekend auf.
Sie war nicht tot. Ein Glück, alles war nur ein schweinischer Alptraum gewesen. Riemenschneider grunzte erleichtert und legte den verschwitzten rosa
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