Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
entgegen.
*
Haderlein und Lagerfeld saßen bei Fidibus im Glashaus und erstatteten Bericht. Es war nach Mitternacht geworden, bis der Chef eingetroffen war. Mit ausdruckslosem Gesicht saß er in seinem schwarzen Ledersessel, rollte eine sündhaft teure Zigarre zwischen den Fingern und hörte sich die Sachlage an.
Als Haderlein seinen Bericht beendet hatte, starrte Suckfüll mehrere Sekunden lang auf einen imaginären Punkt an der Glaswand hinter Haderlein und Lagerfeld, dann hielt er sich die Havanna auf Kinnhöhe vors Gesicht und betrachtete sie nachdenklich.
»Also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, mein lieber Haderlein, dann läuft ein Killer russischer Herkunft durch die fränkischen Lande und bringt Mitglieder einer Schulklasse aus dem Jahr 1974 um, und der bayerische Umweltminister Kolonat Schleycher steckt da auch irgendwie mit drin, weil er von Edwin Rast erpresst wurde?« Fidibus wandte den Blick von seiner Havanna ab und richtete ihn auf Haderlein.
»Richtig«, stimmte ihm sein Kommissar kurz und knapp zu.
»Und das Motiv der ganzen Angelegenheit liegt zwar noch völlig im Dunkeln, aber es sieht so aus, als wären wir einer Riesensauerei auf der Spur?«
»Auch richtig«, erwiderte Haderlein.
»Und dieser Max Schiller alias Mozart ist der Schlüssel zu allem, und keiner weiß, wo er ist, aber ohne ihn geht’s nicht weiter, und die Chance, ihn zu finden, bevor auch er umgebracht wird, ist eher gering?«
»Richtig«, kam es diesmal von Lagerfeld und Haderlein unisono. Sie waren ein gutes Team.
Fidibus legte seine Zigarre auf die Seite und blickte seine beiden Kommissare stirnrunzelnd an. »Nun gut, dann würde ich Folgendes vorschlagen: Zuerst werden wir morgen in den Medien einen bundesweiten Aufruf starten, dass dieser Max Schiller sich melden soll. Das wird einen Riesenaufstand geben, aber der scheint mir bei dieser Anzahl von Ermordeten auch angemessen. Da das über das Innenministerium in München laufen muss, werde ich mich selbst drum kümmern.«
Haderlein nickte zustimmend. Wenn Fidibus das so hinbekommen würde, wäre es tatsächlich die beste Methode, diesen Mann zu finden. Und da der bestimmt wusste, worum es ging, würde er sich womöglich selbst melden oder aber zumindest versuchen, nicht umgebracht zu werden. Das wäre schon mal ein Fortschritt.
»Des Weiteren werden Sie sich morgen früh mit einem Spezialisten für Auftragskiller in Nürnberg in Verbindung setzen, den ich für Sie freigestellt habe. Sein Name ist Hannes Driesel. Sie können mir glauben, Haderlein, das war gar nicht so einfach. Der Mann wird bundesweit gebraucht.«
Das war mal eine gute Nachricht. Wie Fidibus es geschafft hatte, Driesel loszueisen, war sein Geheimnis. Der Hauptkommissar kannte ihn noch aus seiner Münchner Zeit. Sie waren oft im Fraunhofer zusammengesessen und hatten das eine oder andere Bier geleert. Dann hatten sich ihre Wege getrennt. Driesel blieb in München und wurde Spezialist für Undercover-Einsätze und Kronzeugenschutzprogramme, doch als die Spezialeinheit für organisierte Kriminalität in Nürnberg gegründet wurde, hatte man ihn als Leiter dorthin versetzt. Haderlein freute sich auf ein Wiedersehen.
In diesem Moment stürzte Honeypenny ins Zimmer. »Es gibt schon wieder einen Toten! In Kronach ist ein Mann in seinem Auto erschossen worden.«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, rief Fidibus. »Geht das denn immer so weiter? Jetzt ist aber langsam Schacht im Schicht.« Er grübelte noch kurz diesem Satz hinterher, dann stöhnte er: »Die Presse wird mich vernichten, wenn wir nicht bald Ergebnisse veröffentlichen. Honeypenny, wie ist der Name von dem Mann?«
Haderlein ließ die Sekretärin nicht zu Wort kommen, indem er sich einschaltete: »Wie auch immer er heißt, Chef, ich wette größere Geldbeträge, dass wir diesen Namen in der Abschlussklasse von 1974 finden. Beten wir, dass es nicht dieser Max Schiller Mozart ist. Los geht’s, Lagerfeld, auf zu den Kollegen nach Kronach. Geschlafen wird am Ende des Monats.«
»Äh, Schneidereit, Alfred«, tröpfelte es noch aus dem Mund von Honeypenny, aber nur noch Fidibus war im Büro, um ihr zuzuhören.
*
Weit nach Mitternacht herrschte undurchsichtige Dunkelheit im Tiergarten im Nürnberger Osten. Auch in den Gehegen war weitestgehend Ruhe eingekehrt. Der Publikumsverkehr war seit achtzehn Uhr vorbei, und auch die meisten Pfleger genossen zu Hause bei ihren Familien den Feierabend. Nur er und zwei Kollegen waren noch als
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