Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
Nachtwache eingeteilt worden. Normalerweise ein mehr als ruhiger Job, aber mit Flocke war alles anders geworden. Fotografen brachen nachts in den Zoo ein, Journalisten versteckten sich in Gebüschen, dazu kamen noch die Perversen, die es auf irgendwelche anderen Tiere abgesehen hatten. Nein, die einstmals gemütliche nächtliche Wache im Tiergarten Nürnberg hatte sich zu einer anstrengenden Nachtschicht gemausert.
Heute war er an der Reihe, so wie immer ein Mal im Monat. Alles schien ruhig zu sein. Vielleicht hatte er ja Glück und konnte pünktlich morgens um acht Uhr nach Hause gehen. Dann durften die Besucher gern in Massen kommen, er würde wohlverdient in seinem Bett den Schlaf des Gerechten schlafen. Er unterbrach seinen Rundgang, um sich auf eine Bank vor dem großen See mit den afrikanischen Steppentieren zu setzen, und betrachtete die schlafenden Zebras. Der Nürnberger Tiergarten war ein einziges Bild der Ruhe und Harmonie. Versonnen zählte Max Newman die Sterne.
*
Die Klasse hatte ihren Tag mit einem ausführlichen Stopp an der Eisdiele beendet. Auch die beiden Gelackmeierten, Rast und Graetzke, wirkten wieder etwas friedvoller. Mozart saß mit Clemens und Peter etwas abseits. Er und Clemens hatten ihr Eis bereits vertilgt, nur Peter hatte seins nicht aufgegessen, sondern beiseitegelegt. Er schwieg vor sich hin und kümmerte sich nicht um die Eispfütze, die neben ihm entstand.
»Ich wollte dir danken«, sagte Clemens unvermittelt zu Max.
»Aber wofür denn?«, wollte Mozart verwundert wissen. So kannte er Clemens Martin gar nicht.
»Dafür, dass du uns wegen dem Regens Beistand leistest und überhaupt«, erklärte Clemens leise und schaute ihn mit einem solch resignierten Blick an, dass Mozart erschrocken zusammenzuckte. Unsicher strich er sich mit beiden Händen durch seine schwarzen Locken.
»Willst du mir nicht endlich sagen, was genau los ist?«, schlug er vor.
Ohne zu antworten, blickte Clemens erst in die Sonne und dann zu Peter an seiner Seite, der bleich und schweigsam dasaß. Er schien mit sich zu kämpfen, bewahrte aber wie immer die Fassung. Plötzlich stand er auf, packte Mozart am Arm und zerrte ihn auf die Rückseite des Neptunbrunnens, der vom Mann mit dem Dreizack beherrscht wurde. Clemens versicherte sich, dass ihnen niemand gefolgt war, dann griff er in seine Hosentasche, holte einen Zettel heraus und faltete ihn zusammen. Anschließend wickelte er ihn in ein pergamentartiges Butterbrotpapier. Wortlos hielt er das Päckchen Max hin.
»Was ist das?«, fragte Mozart misstrauisch und betrachtete das Eingewickelte von allen Seiten.
»Steck es einfach weg und behalte es für dich«, sagte Clemens eindringlich, und seine Hand krallte sich schmerzhaft in Mozarts Arm. Dann flüsterte er ihm ins Ohr: »Falls Peter und mir irgendwas passieren sollte, wirst du mit dieser Hilfe das Buch finden. Dann wirst du alles verstehen.« Und ohne ein Reaktion von Mozart abzuwarten, ging er wieder zurück zu Peter.
Mozart lief es eiskalt den Rücken hinunter. Erst jetzt war ihm aufgefallen, dass Clemens sein Tagebuch nicht mehr bei sich hatte. Das hatte er in der ganzen Zeit im Ottonianum nicht erlebt. Aber warum sollte Clemens etwas passieren? Er seufzte und steckte das kleine Papierpaket weg, ohne sich noch länger damit zu beschäftigen. Er würde es später lesen, wenn er allein war. Wahrscheinlich war sowieso alles ausgemachter Quatsch. Clemens beliebte häufiger zu übertreiben. Hoffentlich auch jetzt. Mozart schüttelte den Kopf und ging zu den anderen zurück.
*
Haderlein und Lagerfeld standen vor dem zertrümmerten Opel Astra und schwiegen. Alfred Schneidereits Leiche war gerade abtransportiert worden.
»Da kennt aber jemand keine Gnade, was?«, murmelte Lagerfeld erschüttert. »Das ist ja jedes Mal eine regelrechte Hinrichtung.«
»Wir werden ihn finden, verlass dich drauf«, meinte der Hauptkommissar entschlossen. Auch er war geschockt von der hemmungslosen Brutalität des Killers.
»Kommissar Haderlein?« Ein Streifenpolizist war an sie herangetreten und räusperte sich. »Wir haben gerade einen Anruf erhalten. Wahrscheinlich gibt es einen Zeugen.«
Als Haderlein und Lagerfeld an der Pforte der Firma Loewe in Kronach eintrafen, war der Pförtner bereits in ein Gespräch mit zwei Streifenpolizisten vertieft, die alles genauestens notierten.
»Kriminalpolizei Bamberg«, sagte Haderlein und schob seinen Ausweis dazwischen. »Sie haben ihn also gesehen?«
»Ja, das hab ich«, rief
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