Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
der kleine kahlköpfige Pförtner aufgeregt. »Da drüben, es war wie im Fernsehen. Erst kam der Herr Schneidereit vom Teppichlager rausgerannt und ist wie der Teufel weggefahren, Und dann kam dieser große Kerl hinterher und …«
»Sah er etwa so aus?«, fragte Haderlein und hielt ihm das erste von Manuela Rasts Phantombildern unter die Nase.
»Ja, ja, kann gut sein. Das ganze Gesicht konnte ich nicht sehen. Er hat sich den Kopf gehalten, weil er so geblutet hat, aber das könnte er tatsächlich sein.«
Lagerfeld hob erstaunt den Kopf. »Geblutet? Dann hat ihm Schneidereit wohl eine verpasst, oder wie?«
»Mit was für einem Wagen ist er denn weggefahren?«, wollte Haderlein wissen.
»Mit einem dunkelgrauen BMW . Das Nummernschild konnte ich in der Dunkelheit aber nicht erkennen.«
Die beiden Kommissare bedankten sich, überließen den Pförtner wieder den Streifenpolizisten und stiegen ins Auto. Lagerfeld steckte sich eine Zigarette an und fuhr los.
»Eine Fahndung nach einem dunkelgrauen BMW . Davon fahren doch Hunderte hier herum. Das hat doch keinen Sinn, Bernd, wir müssen diesen Max Schiller finden, bevor der Killer ihn umbringt«, sagte Haderlein zerknirscht. »Wenn wir ihn nicht retten können, nimmt er das Geheimnis der Geschichte mit ins Grab, und der Killer verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Und das war’s dann für uns.«
Lagerfeld nickte nachdenklich. »Das stimmt wohl. Aber jetzt geht’s erst mal ins Bett. Auch Kommissare müssen schlafen, Franz.«
Sein Kollege hatte recht. Haderlein fühlte sich gerädert. Aber wie sollte er in dieser Nacht Schlaf finden? Das war der brutalste Fall, den er jemals zu lösen gehabt hatte.
*
Nikolai schaute ein letztes Mal in den Spiegel. Draußen wurde es langsam hell, und er wollte seinen Auftrag heute endgültig zu Ende zu bringen. Es wurde ja auch Zeit. Dieser Job hatte von Anfang an keinen richtigen Spaß gemacht. Es war alles so einfach und anspruchslos gewesen, dass er sich nicht konzentriert und von einem hilflosen Teppichhändler einen Telefonhörer an den Kopf gedonnert bekommen hatte. Er befühlte die Naht. War gar nicht mal so schlecht geworden. Nur dass die Wunde pochte wie eine Heavy-Metal-Band, störte ihn. Aber er hatte gelernt, Schmerzen zu ignorieren, und er hatte bei Gott schon Schlimmeres ertragen.
Er packte seine Sachen und warf sie ins Auto. Hierher würde er nie wieder zurückkehren. Heute würde er seinen Auftrag beenden und nach Wien fahren, wo schon die nächste Aufgabe wartete. Hoffentlich diesmal ohne Teppichhändler, dachte Nikolai und startete den BMW . Bis Nürnberg brauchte er ungefähr fünfundvierzig Minuten. Er würde am Eingang vom Zoo warten, bis geöffnet wurde, und den Job dann abwickeln. Entweder er hatte das Buch, was einen saftigen Bonus für ihn bedeuten würde, oder aber der Typ würde gleich ein Loch in seiner Stirn haben. Inzwischen war Nikolai auch das recht. Hauptsache weg hier.
*
Das Abendessen im Ottonianum war fast vorbei, doch Max Schiller konnte Clemens und Peter nirgends entdecken. Wieso waren die beiden nicht hier? Er hatte noch lange über den Satz nachgedacht, den er von Clemens am Neptunbrunnen gehört hatte. Wieso sollte ihm etwas passieren? Er hatte so verdammt ernst geklungen. Was meinte er damit? Mozart würde ihn nachher fragen. Es musste endlich Schluss mit diesen ganzen Andeutungen und Hinweisen sein. Er wollte wissen, was hier verdammt noch mal los war.
Plötzlich ging die Tür zum Speisesaal auf, und der Regens betrat mit ernstem Gesicht den Raum. Schlagartig wurde es still. Schleycher postierte sich an der Stirnseite des Saales. Mit schwer zu deutendem Blick musterte er die Schüler, bevor er zu sprechen begann.
»Ich habe etwas bekannt zu geben.«
Mozart hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend, nachdem Kolonat Schleycher ihnen alles mitgeteilt hatte.
Als der Regens wieder den Saal verließ, setzte aufgeregtes Getuschel unter den Jungen ein. Max musste sich an der Tischplatte festhalten. Ihm war schlecht. Hatte Clemens mit seinen Vermutungen doch recht gehabt? Vorsichtig glitt seine linke Hand in die Hosentasche und befühlte das eingewickelte Papier. Er tat wohl gut daran, auf den Zettel sehr gut achtzugeben. Schweigend verließ er den Saal.
*
Es war kurz vor acht Uhr am Morgen. Im Tiergarten Nürnberg herrschte schon seit zwei Stunden reges Treiben, und in fünf Minuten würden die Pforten für die Besucher öffnen. Seine Nachtwache war offiziell vorbei, er war hundemüde
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