Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
achtzehn Jahre lang gegangen.
Dann, vor zwei Jahren, zog der Sohn auf eigenen Wunsch aus, um eine Elektrikerlehre in Bayreuth zu beginnen. »Sorry, Mama. Ich halt’s mit dem Papa hier nimmer aus«, waren seine Worte gewesen, als er ihr seine Entscheidung erklärte. Er nahm sich eine Wohnung in der Nähe seiner Ausbildungsstelle und kam von nun an nur noch zu besonderen Gelegenheiten und um seine Mutter zu besuchen nach Hause.
Kurz nach Svens Auszug verstarb die Schwiegermutter. Zu ihrer Beerdigung erschienen genau fünf Personen, von denen drei zum Bestattungspersonal gehörten. Mit dem Tod der Hexe wagte Manuela Rast es das erste Mal, ernsthaft aufzubegehren. Sie zwang ihren Mann erst dazu, getrennte Schlafzimmer einzurichten, dann getrennte Wohnungen. Er musste nach oben, ins Reich seiner Mutter ziehen, da er sich beharrlich weigerte, deren miefige Möbel zu entsorgen. Sie belegte das Parterre und fuhr in einer Nacht- und Nebelaktion das grünbeige Jugendstilsofa ihres Mannes zur Müllverbrennungsanlage nach Bamberg. »Auf dem neuen sitzen Sie jetzt, meine Herren«, grinste sie.
Seit einem halben Jahr hatte sie nun bereits mitbekommen, dass ihr Mann einen Privatdetektiv auf sie angesetzt hatte, um ihr angeblich ein lotterhaftes Leben nachzuweisen. Als sie im Zuge ihrer neuen Selbstständigkeit die gemeinschaftlichen Konten und Vermögenswerte kontrollieren wollte, hatte sie feststellen müssen, dass ihr Mann alles beiseitegeschafft hatte, was beiseitezuschaffen war. Von den ehemals angesparten fünfzehntausend Euro war bis auf vierhundert Euro alles verschwunden. Aber eigentlich hatte sie ja selbst Schuld daran, wie sie sich eingestand. Sie hatte ihn einfach zu lange ungestört machen lassen. Aber jetzt begann sie endlich die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Vor einem Monat hatte sie die Scheidung eingereicht. Wenigstens ihren Anteil am gemeinsam renovierten Haus wollte sie einfordern. Seit er von der Scheidung wusste, verkehrten sie nur noch anwaltlich miteinander. Um in seine Wohnung zu gelangen, benutzte er den Hintereingang, sodass sie sich seit drei Wochen nicht mehr gesehen hatten. Für Manuela Rast waren es die schönsten einundzwanzig Tage seit der Eheschließung gewesen.
Während Lagerfeld jedes Detail eifrig in seinen Notizen festhielt, hatte sich Haderlein, der am offenen Kamin lehnte, alles wortlos angehört.
»Und was hat Ihr Mann gemacht, wenn er nicht gerade die Familie tyrannisierte?«, fragte er nun. »Hatte er vielleicht auch anderswo irgendwelche Feinde?«
Wieder musste sie lachen. »Ob er Feinde hatte, wollen Sie wissen? Wenn ich seine Freunde aufzähle, wären wir schneller fertig. Mein Mann hatte eigentlich nur Feinde. Er hat sich grundsätzlich mit jedem angelegt. Vor allem mit den Kanufahrern. Das war so ein Privatkrieg von ihm.«
»Aber wieso denn?«, unterbrach sie Lagerfeld. »Gibt’s da irgendetwas, was die verbrochen haben?«
»Nein, eigentlich nicht«, seufzte sie. »Sein Problem mit ihnen war einfach nur, dass sie da waren. Fragen Sie mich nicht, was ihn an der Bootfahrerei so störte. Aber zusammen mit seinen Anglerkumpanen führte er seit Längerem einen regelrechten Kampf gegen die. Und dann ist auch noch sein bester Freund und Anglerkollege von so einem Bootsverleiher verdroschen worden. Das hat dann bei ihm das Fass zum Überlaufen gebracht. In der Zeit, als wir noch miteinander geredet haben, gab es bei uns ja überhaupt kein anderes Thema.«
»Wissen Sie vielleicht den Namen von diesem Freund?«, hakte Lagerfeld nach.
»Natürlich weiß ich den«, erwiderte sie bissig, und ihre Miene verdunkelte sich plötzlich. »Dieses chauvinistische Arschloch!«
»Ach ja?« Haderlein war erstaunt über ihren Ausbruch. »Ich dachte, Ihr Mann wäre der alleinige Höhepunkt an Niedertracht in Ihrem Leben gewesen?«
»An sich ist das auch richtig. Nur Hubertus Graetzke konnte Edwin noch toppen. Gegen den war sogar mein Mann die Heilige Jungfrau Maria. Besuchen Sie den mal, was Schleimigeres finden Sie nur noch im Sumpf.«
»Und wo finden wir diesen Hubertus Graetzke?«, erkundigte sich Lagerfeld.
»Der wohnt mittlerweile in Coburg, aber zum Angeln kommt er immer noch an den Main. Die haben da so eine illegale Zeltstadt an einem Privatsee errichtet. Entweder ist er dort und angelt, oder er ist daheim in Coburg und vergewaltigt seine arme Frau, der versoffene Drecksack.« Wütend warf sie Haderlein einen kurzen Blick zu. »Der ist irgendein hohes Tier bei der HUK in Coburg, glaub
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