Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
ganzen Pracht und mit frisch geköpfter Zigarre in der Hand.
»Ihre Tierliebe in allen Ehren, Frau Hoffmann, aber wir sind hier, um den Kriminellen dieser Welt Einhalt zu gebieten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich möchte Sie also bitten, sich nun wieder Ihrem erlernten Beruf zuzuwenden, wenn das möglich wäre. Und falls es Neuigkeiten wegen dieser Wasserleiche gibt, will ich umgehend informiert werden. Haderlein ist schon ziemlich lange außerhäusig unterwegs, da müsste er doch mal Ergebnisse liefern …« Er wandte sich zum Gehen, überlegte es sich dann aber anders und drehte sich nochmals zu ihr um. »Und achten Sie bitte darauf, dass Haderleins, äh, Tier nicht den Boden verschmutzt.«
»Aber Riemenschneider ist doch stubenrein«, schlug sich Honeypenny energisch auf die Seite des Schweins.
»Man sollte stille Wasser nicht vor dem tiefen Abend loben«, entgegnete ihr Chef, indem er, wie er es häufig tat, ein bekanntes Zitat verunstaltete. Doch es kam noch besser. »Aber das ist Ihre Sache, Frau Hoffmann. Ich möchte keine schlafenden Hasen wecken. Wenn Sie Haderleins, äh, Tier hier in Pflege nehmen wollen, dann bitte. Wenn Sie sich das wirklich antun möchten, Ihr Problem. So hat eben jeder sein Süppchen zu tragen. Meinetwegen. Frau Hoffmann, ich bin an meinem Schreibtisch, falls Sie mich suchen.« In dem Bewusstsein, wieder eine germanistisch bedeutungsvolle Anweisung emittiert zu haben, betrachtete er kurz, aber liebevoll seine hundertsiebzehn Euro teure Zigarre und verschwand dann mit langen Schritten in dem sterilen Glaskasten, den er sein Büro nannte.
Marina Hoffmann seufzte. Dieser Mann würde es wohl nie begreifen. Reden war nun wirklich nicht sein Metier. Keine Frage, er war ein gelernter und hochkompetenter Jurist, aber das sollte er ihrer Meinung nach auch bleiben und keine unkontrollierten Ausflüge in die deutsche Sprache unternehmen. Außerdem war er doch ohne sie völlig hilflos. Ohne Frauen in seinem Leben würde er doch sofort von wilden Tieren aufgefressen werden, der arme Mensch. Seine Frau kämmte ihm die Haare und richtete ihm mindestens noch die Krawatte, bevor er aus dem Haus ging. Meistens war er so zerstreut, dass sie ihm auch seine Aktentasche hinterhertragen musste. Gott sei Dank hatte er sich vor Kurzem ein Navigationsgerät fürs Auto zugelegt, ansonsten würde er sich weiterhin permanent auf den sieben Kilometern zur Dienststelle verfahren. Diesbezüglich hatte seine Gattin übrigens festgestellt, dass eine weibliche Navigationsstimme wirkungsvoller war als eine männliche. Von Männern ließ sich ihr Mann nämlich nur ungern etwas sagen. In der Dienststelle war es nicht selten schon passiert, dass Robert Suckfüll sich ins falsche Büro gesetzt und sich umgehend beschwert hatte, dass fremde Familienbilder auf seinem Schreibtisch stünden. Man möge diese doch bitte wegräumen.
Seine Schusseligkeit war schon fast legendär. Seinen Spitznamen Fidibus hatte er aber deswegen verliehen bekommen, weil er gleich zwei Mal innerhalb eines Jahres seinen Schreibtisch mithilfe von vergessenen Zigarren auf den Aktenordnern abgefackelt hatte. Zuerst wies er eine Mitschuld weit von sich, doch dann konnten die Kollegen von der Betrugsabteilung die Brandursache mit ihren Spezialisten zweifelsfrei eruieren. Also durfte er von nun an seine Havannas nur noch außerhäusig verqualmen, und es wurde ihm der Name Fidibus verpasst, von dem er bis heute nichts mitbekommen hatte. Nicht wenige Kollegen vermuteten, dass er nach dem Brand die Glaswände hatte errichten lassen, um sich inoffiziell in seiner Gedankenlosigkeit von Honeypenny kontrollieren zu lassen. Doch das würde ihr Chef natürlich niemals zugeben. Immerhin war es ihm bereits gelungen, dass er auf seinen teuren Zigarren im Büro nur noch herumkaute und sie nicht mehr anzündete.
Aber egal wie verschusselt Fidibus auch war, in einem Punkt hatte er tatsächlich recht: Haderlein war nun wirklich schon lange genug unterwegs, ohne sich gemeldet zu haben. Die Vernehmungen waren wohl doch umfangreicher als gedacht, vermutete Marina Hoffmann und fütterte Riemenschneider erneut.
*
Haderlein wurde es zu viel. »Frau Rast, wir haben Ihnen soeben die Nachricht vom Tode Ihres Mannes überbracht, und Sie führen hier Freudentänze auf. Mein Kollege La…, ich meine, der Kommissar Schmitt und ich sind hier, um einen Mord aufzuklären. Also, wenn ich Sie nicht sofort verhaften soll, wäre es in Ihrem eigenen Interesse, uns an Ihrer
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