Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
Fröhlichkeit teilhaben zu lassen. Und zwar umfassend, wenn es möglich wäre!« Er wurde jetzt wirklich ungehalten. Eigentlich regte er sich mehr darüber auf, dass diese Frau, die er vorher noch nie gesehen hatte, es geschafft hatte, ihn zu verunsichern, als über ihr ungewöhnliches Verhalten.
»Das heißt also, Sie wollen keinen Sekt?«, fragte sie ihn fast ungläubig.
»Nein, möchte ich nicht! Wir sind nämlich im Dienst und dürfen schon aus diesem Grund keinen Alkohol trinken«, erwiderte er schnell und warf Lagerfeld einen autoritären Blick zu, da dieser schon im Begriff war, die Einladung anzunehmen. »Bitte, Frau Rast, wir wären Ihnen wirklich sehr verbunden, wenn Sie uns alles über Ihren Mann erzählen würden. Außerdem müssen wir natürlich feststellen, wo Sie die letzten vierundzwanzig Stunden gewesen sind, um Sie als Verdächtige ausschließen zu können. Und glauben Sie mir, Ehefrauen, die sich Trauergefühlen über den Tod ihres Ehegatten entziehen, so wie Sie, sind sehr verdächtig.«
»Sehr verdächtig«, echote Lagerfeld versichernd hinterher, während er versuchte, sich auf seinen Notizblock zu konzentrieren.
»Na gut. Wie Sie wünschen, meine Herren. Dann trinke ich eben alleine und werde Ihnen mal was über meinen Mann, pardon, ich meine natürlich Exmann, erzählen.« Sie goss sich ihren Sekt ein, stellte die Flasche auf das Sims neben der Küchentür und begab sich auf eine Art und Weise wieder zurück zu ihrem orangenen Viereck, dass Lagerfeld mit ernsthaften Konzentrationsstörungen zu kämpfen hatte. Nachdem sie einen ausgiebigen Schluck aus ihrem Glas genommen hatte, räusperte sie sich und begann zu erzählen.
Wie Haderlein angenommen hatte, stammte sie nicht aus Bamberg, sondern aus Deggendorf in Niederbayern. Der Hauptkommissar hatte den niederbayerischen Dialekt herausgehört. Ihren Mann hatte sie im Alter von zwanzig Jahren auf einer Feier in Deggendorf kennengelernt. Einer seiner Kumpel hatte ihn mitgebracht, und er hatte sich sogleich für sie interessiert. Damals war sie noch jung, unerfahren und leicht zu beeindrucken gewesen. Edwin Rast musste damals natürlich wieder nach Bamberg zurück, kam aber alle zwei Wochen zu Besuch. Das imponierte ihr ungemein. Nach nur drei Monaten folgte ein Heiratsantrag mit Kniefall, Blumen und allem, was dazugehört. Warum eigentlich nicht?, hatte sie sich damals gedacht. Ihren Job als Sportartikelfachverkäuferin gab sie kurz entschlossen auf und zog mit Sack und Pack nach Bamberg, um ihren hartnäckigen Edwin zu ehelichen. Die Perspektiven waren so schlecht nicht. Immerhin hatte er einen sicheren Job beim Finanzamt und besaß ein romantisches Häuschen an der Regnitz.
Sie würde nur das gemeinsame Kind großziehen müssen, das bereits unterwegs war, und ein geruhsames Leben als Hausfrau führen. So viel zur Theorie. Die Wirklichkeit offenbarte sich erst allmählich. Zuallererst musste sie realisieren, dass ihr Mann sich als Sauberkeitsfanatiker und Pedant entpuppte. Dann stellte sich die noch mit im Haus wohnende Schwiegermutter als üble Quertreiberin heraus. Ein bitterböses Schrapnell, das ihren penibel erzogenen Sohn von ihrer Wohnung im Stock über ihnen fernsteuerte.
Als Manuela Rast mitbekam, dass die Schwiegermutter ihren Enkelsohn häufig schlug, wenn sie nicht da war, erteilte sie ihr Hausverbot für die untere Wohnung. Das war das erste und einzige Mal gewesen, dass sie sich in entscheidenden Lebensfragen gegen ihren Mann durchgesetzt hatte. Aber ansonsten …
Manuela Rast, geborene Altdorfer, biss in den vergifteten Apfel, den man ihr darreichte, und schluckte. Sie war so erzogen worden. In guten wie in schlechten Zeiten, das hatte sie ihm versprochen. Die beiden zu unterscheiden, fiel ihr im Laufe der Jahre immer schwerer. Dem Sohn zuliebe ertrug sie einen Ehemann, der hinter ihr herputzte, auch wenn es nichts mehr zu putzen gab. Einen Mann, der beim Einkaufen neben ihr herlief, um Preise zu kontrollieren, und ihr nicht mal eine eigene Haushaltskasse, ein eigenes Taschengeld zugestand. Ein Mann, der versuchte, sie im Haus einzusperren, was ihm auch meistens gelang. Deshalb hatte er sie also noch nie gesehen, schlussfolgerte Haderlein.
Alles in dieser Ehe war genehmigungspflichtig gewesen. Und wenn Edwin nicht da war, um sie zu überwachen, weil er arbeiten musste oder beim Angeln war, dann gab’s ja noch die Schwiegermama. Manuela Rasts Leben reduzierte sich auf minimale soziale Kontakte und ihren Sohn Sven. So war es
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