Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
Eisbeutels. Ein leises Schnarchen war zu hören.
Haderlein schaute unter den Tisch, um zu sehen, was Riemenschneider wohl trieb. Doch auch hier hatte der Sandmann bereits ganze Arbeit verrichtet. Das Ferkelchen lag seitlich ausgestreckt unter dem Tisch und gab sich ebenfalls der Träumerei hin.
Kriminalhauptkommissar Haderlein war an diesem wunderschönen Sonntagabend nun endgültig allein mit sich und einem ziemlich verzwickten Fall.
Gott und die Welt
Kolonat Schleycher lag in Kloster Banz in seinem Bett auf seinem Zimmer und grübelte über den verkorksten Tag nach. Es war fast Mitternacht, und er konnte und wollte nicht schlafen. Da schmiedete man einen Plan nach dem anderen, und dann warfen die Schläge des Schicksals alles über den Haufen. Das hätte so nicht passieren sollen und dürfen. Er war doch so gut vorbereitet gewesen. Er hatte alles geplant: sein Leben, seine Karriere, seine Zukunft. Aber vor allem Letztere stand nun auf dem Spiel. Vor einer halben Stunde hatte er noch eine Unterredung mit dem Ministerpräsidenten Kohlhuber geführt. In dem kurzen Gespräch hatte dieser seinen Unwillen über die verunglückte Vorstellung seines Umweltministers deutlich zum Ausdruck gebracht. Er hatte ihm unmissverständlich nahegelegt, morgen seinen verpatzten Auftritt auf professionelle Art und Weise wiedergutzumachen, ansonsten gäbe es gleich zu Beginn seiner hoffnungsvollen Amtszeit reichlich Minuspunkte auf dem Politikerrücktrittskonto, was ihm sehr leidtun würde. Schließlich hatte der Ministerpräsident persönlich Kolonat Schleychers Talent schon früh erkannt und ihn zeitig protegiert. Zusammen waren sie dann aufgestiegen, und Schleycher hatte stets von den Karrierefortschritten seines Mentors profitiert. Der Ministerpräsident hatte ihn zu dem gemacht, was er jetzt war. Dabei war der Weg beileibe nicht immer einfach gewesen. Als katholischer Priester hatte man sich eigentlich aus der Politik herauszuhalten. Einmal Priester, immer Priester, so war das in der Kirche. Doch Kolonat Schleycher hatte sein politisches Engagement durchgesetzt, und die kirchliche Obrigkeit hatte ihn ziehen lassen, wenn auch nicht ohne Probleme. Nach den Unannehmlichkeiten, die es zum Schluss gegeben hatte, war er sich sicher, dass ihm keiner der Würdenträger auch nur eine Träne nachweinte. Offiziell hatte er zwar noch immer das Priesteramt inne, aber im Endeffekt war das Thema endgültig durch. Er war nun erfolgreicher Politiker. Umweltminister. Und das konnte einfach noch nicht das Ende sein. In der Presse wurde er bereits als heißer Kandidat für die Nachfolge des Ministerpräsidenten gehandelt, die in sechs Jahren anstand.
Ein Klopfen an der Tür schreckte ihn aus seinen politischen Gedanken auf. Seine Staatssekretärin steckte ihren Kopf mit fragendem Blick ins Zimmer.
»Darf ich?«, fragte sie, trat aber sogleich ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
»Und?«, fragte er ungeduldig und richtete sich auf.
Sie lächelte und warf ihm eine farblose graue Mappe auf das Bett, auf dem er gerade noch seine Situation analysiert hatte. »Fertig«, grinste sie, ohne auch nur im Geringsten angestrengt zu wirken.
Schleycher griff sich die Mappe und zog das darin enthaltene Redemanuskript heraus. Er war ein routinierter und schneller Leser, sodass er das Wesentliche sofort erfasste. Mit jedem gelesenen Absatz hellte sich seine Miene mehr und mehr auf.
»Das ist gut!«, rief er begeistert und strahlte sie an. »Das ist sogar sehr gut. Wo hast du das nur so schnell hergezaubert?«
»Von hier oben natürlich«, antwortete sie lächelnd und tippte sich bedeutungsvoll an ihre hübsche Stirn.
Die blonden langen Haare hingen ihr zwar frisch gekämmt, aber trotzdem etwas ungeordnet über die Schultern. Noch immer trug sie das schwarze Kleid vom Empfang der Bundeskanzlerin heute Mittag. Nach dem gemeinschaftlichen Abendessen hatte sie sich sofort verabschiedet, um an der Rede zu arbeiten. An dieser wundervollen Rede.
»Was würde ich nur ohne dich machen, Gabi!« Er erhob sich, ging auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Du und ich, wir wären das ideale Gespann. Zu schade, dass aus uns beiden nichts werden wird.« Aus seiner Stimme sprach ehrliches Bedauern.
Ihr Kopf lag still an seiner Brust. Sie verdrückte eine Träne. »Aber du könntest es doch wenigstens versuchen«, sagte sie mit erstickter Stimme. Abrupt drehte er sich von ihr weg, dem Bett zu und warf das Manuskript auf die aufgeschlagene Decke. Dann vergrub er seine Hände
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