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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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nichtsdestotrotz
weithin bekannt. Derartige Umgebungen haben überall auf der Welt preissenkende
Wirkungen auf den Mietspiegel.
    Doch Max Newman machte sein soziales Umfeld überhaupt nichts aus. Im
Gegenteil. Er liebte es hier. Seine aufrührerische Natur zog es zum Bodensatz
der Gesellschaft, mit dem er sich eher verbunden fühlte als mit dem sogenannten
Establishment. Er hatte sich schon oft anhören müssen, dass er hier überhaupt
nicht hergehöre. Schließlich besaß er einen Doktortitel und hatte in den USA studiert. Da wäre es doch ein
Einfaches für ihn, sich in besseren Kreisen der Nürnberger Gesellschaft zu
bewegen. Aber er zog es vor, mit den Nutten aus der Nachbarschaft vor dem Haus
eine Zigarette zu rauchen und sich Geschichten aus dem Strichermilieu erzählen
zu lassen. Das war das richtige Leben und nicht irgendwelche wichtigen
Veranstaltungen der feinen Gesellschaft im Bratwursthäusle unterhalb der Burg.
Max Newman hatte keine Lust, eine Familie zu gründen, Rasen zu mähen und
samstags sein Auto zu waschen.
    Er hatte sich seines Hemds entledigt und schaute sich im
Badezimmerspiegel an. Die schwarzen Kringellocken hatten sich im Laufe der
Jahre Richtung Hinterkopf verzogen, sodass seine Stirn immer höher wirkte. Als
Ausgleich hatte er irgendwann während seines Studiums in Kalifornien
beschlossen, sich nicht mehr zu rasieren. Seitdem schmückte ein dichter,
schwarzer Vollbart sein Gesicht, was auch den Vorteil hatte, dass die Delphine
ihn unter Wasser von allen Kontaktpersonen am besten erkennen konnten. Nicht
dass er als Leiter des Delphinariums die Tiere noch oft trainierte, aber den
einen oder anderen Delphin neckte er noch manchmal zum Spaß. Und umgekehrt taten
es die Delphine genauso.
    Er schmunzelte sein Konterfei im Spiegel an und befühlte intuitiv
die kleine Lederkapsel, die an einer feingliedrigen Silberkette um seinen Hals
baumelte. Bei der Berührung verloren seine Gesichtszüge sogleich ihre
Leichtigkeit. Selbst nach so vielen Jahren legte sich ein Schatten auf sein
Gemüt, wenn er die Kapsel berührte und an das Geschehene dachte. Er beugte sich
über das Waschbecken und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Irgendwann
würde er auch diese Geschichte vergessen können. Aber nicht heute, nicht jetzt.
    *
    Dass dies die letzte Sitzung der CADAS sein würde, wusste in diesem Moment noch niemand. Alle waren geschockt und
verwirrt. Der Regens hatte öffentlich verkündet, dass Clemens und Peter des
Ottonianums verwiesen worden waren. Angeblich wegen erneuter Nichteinhaltung
der Heimregeln.
    Als die Schüler sich von den beiden verabschieden wollten, hatten
sie feststellen müssen, dass ihre Zimmer bereits geräumt und sämtliche
persönlichen Sachen der beiden verschwunden waren. Niemand konnte oder wollte
ihnen sagen, wohin sie gegangen waren. Die Mitglieder der CADAS wussten, dass, hätten Clemens und
Peter die Möglichkeit gehabt, sich zu verabschieden, sie es mit Sicherheit
getan hätten. Sie mussten gezwungen worden sein, schnellstens zu verschwinden.
    Am nächsten Morgen saßen alle zusammen im Musikzimmer und berieten
die Lage. Jeder hatte einen Brief vom Regens bekommen, in dem stand, dass ihnen
dasselbe Schicksal blühte, wenn sich die CADAS noch einmal treffen sollte. Die Drohung saß. Zudem fehlte mit Clemens sowieso
der Spiritus Rector der Gruppe. Mozart versuchte zwar verzweifelt, einen
Neuanfang zu proklamieren, aber die Gesichter seiner Mitschüler sprachen eine
eindeutige Sprache. Die CADAS war
Vergangenheit. Es war vorbei.
    Immerhin beauftragten sie Alfred Schneidereit damit, die Adressen
und Namen für etwaige Treffen in späteren Jahren zu notieren. Doch im Moment
waren alle viel zu sehr mit der aktuellen Situation beschäftigt, als dass sie
an die Zukunft denken konnten. Die Mischung aus Verunsicherung und Angst, die
Kolonat Schleycher gesät hatte, tat ihre Wirkung.
    Mozart konnte seine Wut und Verzweiflung kaum noch im Zaun halten.
Da war doch etwas oberfaul. Das stank doch aus allen Löchern, das mussten die
anderen doch auch erkennen. Aber die waren Feiglinge. Mit denen wollte er
nichts mehr zu tun haben. Er entschied, das Geheimnis von Clemens’ kleinem
Zettel erst einmal für sich zu behalten, und ging resigniert auf sein Zimmer.
    *
    Als in der Tageschau der Suchaufruf für Max Schiller verkündet
wurde, klingelte Haderleins Handy, und Cesar Huppendorfer meldete bereits erste
Erfolge. Der Hauptkommissar hörte aufmerksam zu und notierte sich die
wichtigsten

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