Das Alabastergrab
herum, als
Nikolai sich erhob und hinunter zum Beckenrand ging, wo eine junge Frau die
Utensilien der Show einsammelte. Er schlenderte an ihr vorbei zu einer
Informationstafel, an der alle Mitarbeiter des Delphinariums vorgestellt wurden.
Sofort erkannte er seine Zielperson.
»Dr. Max Newman, Leiter des Delphinariums des Tiergartens Nürnberg«,
las er auf der Namenstafel unter dem Mitarbeiterbild.
Kurzentschlossen ging Nikolai zu der jungen Frau, die jetzt die
Fischreste der Fütterung aufsammelte.
»Entschuldigung?«
Die junge Frau schaute auf und blickte ihn nicht gerade freundlich
an. »Dieser Bereich ist für das Publikum verboten«, wies sie ihn zurecht. »Es
könnten Keime eingeschleppt werden, die die Delphine krank machen.« Die Leute
waren so unvernünftig, dass sie den Spruch jeden Tag mehrmals runterrattern
musste. Und jetzt stand hier schon wieder ein Typ der ganz besonders
neugierigen Sorte rum.
Nikolai blickte unauffällig auf ihr Namensschild. Melanie Probst,
Praktikantin. »Hallo, Melanie«, versuchte er es nun mit einem breiten Lächeln.
»Sie müssen entschuldigen, ich habe vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist
Dr. Wladimir Rasputin vom Delphinarium in Kiew. Ich suche Dr. Newman. Können
Sie mir vielleicht sagen, wo ich ihn finde?« Er grinste sie so warmherzig und
treudoof an, wie er nur konnte.
»Oh, entschuldigen Sie«, rief die Praktikantin nun erschrocken. »Das
konnte ich ja nicht ahnen, Herr Doktor. Wissen Sie, ich bin erst eine Woche
hier, da kenne ich noch nicht jeden.« Ganz offensichtlich war es ihr peinlich,
einen so wichtigen Gast dumm angeredet zu haben. Gut so.
»Aber das ist doch kein Problem«, erwiderte Nikolai freundlich. »Ich
müsste Dr. Newman allerdings dringend noch einmal in einer sehr wichtigen
Angelegenheit sprechen, da ich morgen schon abreise.«
»Oh ja, natürlich, dann schau ich mal auf den Dienstplan«, bot
Melanie Probst an und wischte sich ihre vom Fisch verschmierten Finger an der
Hose ab. »Kommen Sie ruhig mit, dann kann ich Ihnen gleich sagen, wann der Herr
Doktor Dienst hat.«
Nikolai folgte in den Gemeinschaftsraum des Delphinariums bis zum
großen Wandkalender, in dem alle Dienste des Personals eingezeichnet waren.
Melanie Probst fuhr mit dem Finger darauf herum, bis sie gefunden
hatte, was sie suchte.
»Ah, da steht es ja«, rief sie erfreut aus. »Dr. Newman hatte heute
Nachtwache im Zoo und um acht Uhr Dienstschluss. Das ist Pech, den haben Sie
gerade verpasst. Und er kommt erst am Montag früh wieder zur Arbeit, nach dem
Wochenende.« Bedauernd zuckte sie mit den Schultern.
Am liebsten hätte Nikolai seine Waffe gezogen und diese naive Nuss
auf der Stelle erschossen. Die Überbringer schlechter Nachrichten waren zu
früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte schon für weniger umgebracht worden.
Aber er musste sich zusammenreißen, er war nicht bereit, schon aufzugeben,
trotzdem konnte er bis zum Montag auf gar keinen Fall warten. Völlig unmöglich.
»Das ist aber wirklich schlecht«, sagte er mit herzerweichendem
Blick. »Es wird Jahre dauern, bis Dr. Newman und ich wieder Gelegenheit haben
werden, persönlich miteinander zu sprechen. Haben Sie vielleicht seine Adresse?
Ich würde auch selbst bei ihm vorbeifahren.«
»Selbst wenn ich wollte, Dr. Rasputin, könnte ich sie Ihnen nicht
geben. Dr. Newman ist da sehr eigen, das hab ich schon mitgekriegt. Seine
Adresse weiß nur das Personalbüro.« Sie schüttelte ihren Kopf.
Nikolai kochte innerlich. Seine rechte Hand umklammerte fest den
Griff seiner Waffe. Wenn diese Ziege ihm nicht bald lieferte, was er wollte,
dann war sie fällig. Er hatte keine Lust mehr.
»Aber ich kann Ihnen die Handynummer von ihm geben«, fiel Melanie
plötzlich ein, und ihre Augen leuchteten. »Er hat sie für Notfälle hier
gelassen.« Stolz zeigte sie auf den kleinen blauen Zettel, der unten links am
Wandkalender mit einer Reißzwecke aufgespießt worden war.
Nikolai atmete tief durch, um sich zu beruhigen, dann griff er sich
ein Blatt Papier vom Schreibtisch, der neben dem Kalender unter einem Fenster
stand, und notierte die Nummer. Als er wieder seine Sonnenbrille aufgesetzt
hatte, lächelte er Melanie Probst herzlich an. Wenn diese kleine Mauerblume
wüsste, was sie gerade für ein unglaubliches Glück gehabt hatte.
»Liebe Melanie, ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet. Ich wünsche
Ihnen noch eine schöne Zeit mit diesen wundervollen Tieren«, säuselte er. »Ich
werde ein paar lobende
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