Das Alabastergrab
einfacher. Am Anfang
war die Kripo nicht so sein Metier gewesen. Er war bei der Sitte eingestiegen.
Hatte mit Zuhältern, Nutten und ähnlichen Zeitgenossen zu tun gehabt. Mit denen
konnte er umgehen, keine Frage. Da war alles gefragt, nur kein feinfühliger
Umgangston. Im Nachhinein war es gar kein so schlechter Job gewesen.
Vor einem halben Jahr hatte ihn dann Hauptkommissar Haderlein
gefragt, ob er nicht in die Abteilung Tötungsdelikte wechseln wolle. Sein
langjähriger Partner hatte sich in den verdienten Ruhestand verabschiedet, und
nach offensichtlich längerer Bedenkzeit wollte Haderlein unbedingt ihn als
neuen Kollegen. Der Grund dafür war Lagerfeld allerdings bis heute
schleierhaft. Aufregend war die Arbeit natürlich schon, und Haderlein war der
beste Kommissar in Bayern. Sein Name war wie ein Donnerhall in der
Kriminologenszene. Nachdem er seine ersten Dienstjahre bei der Kripo in München
verbracht und gleich mehrere Abteilungen absolviert hatte, lernte er bei einem
Einsatz in Bamberg seine spätere Frau Eva Haderlein kennen. Die Liebe musste
plötzlich und heftig über ihn gekommen sein, denn 1984 war es nicht gerade
üblich, den Namen der Frau anzunehmen – und im katholischen Bamberg schon gar
nicht. Nach nur sieben Monaten Ehe erkrankte Eva Haderlein schwer und verstarb
kurz danach im Sommer 1985. Den Schicksalsschlag hatte sein Chef, so vermutete
Lagerfeld, bis heute nicht richtig verwunden. Er blieb weiterhin in Bamberg und
besuchte bis zum heutigen Tag zwei Mal wöchentlich das schlichte Grab seiner
Frau auf dem Friedhof in der Siechenstraße.
Seit Jahrzehnten hatte man Hauptkommissar Haderlein nicht mehr mit
einer Frau an seiner Seite gesehen. Weder offiziell noch inoffiziell. Das
einzige weibliche Wesen, mit dem er sich etwas näher befasste, war Marina
Hoffmann, die langjährige Büromaus der Dienststelle. Wegen ihrer guten
Beziehungen zur Bamberger Imkerszene wurde die gute Seele von allen nur noch
Honeypenny genannt. Wegen ihr mangelte es dem Büro und den angeschlossenen
Familien nie an Honigbroten, ganz im Gegenteil. Und Honeypenny war Lagerfelds
Wissen nach auch die einzige Frau, die bei Haderlein wenigstens ein paar seiner
zahlreichen inneren Festungsmauern niedergerissen hatte. Allerdings immer nur
platonisch. Zwischen ihm und Marina Hoffmann rauchte es zwar oft und gewaltig,
aber die Versöhnungen kamen nie zu kurz.
Aber das war denn auch schon der Gipfel von Haderleins
gegengeschlechtlichen Aktivitäten. Es schien, als lebte er nur für seinen
Beruf, gute Bücher, Filme und sein großes Hobby, die Schnapsbrennerei oder
Destillation, wie er sich auszudrücken pflegte. Aber das war wieder ein anderes
Thema. Jetzt musste erst mal eine niederschmetternde Nachricht überbracht
werden.
»Was gibt’s denn, die Herrschaften?«, ertönte eine dunkle und
wohlklingende Stimme und riss Lagerfeld aus seinen Gedanken.
»Kriminalpolizei Bamberg«, stellte sich Haderlein so neutral wie
möglich vor, während er dezent seine Polizeimarke aufklappte und vorzeigte.
»Frau Manuela Rast?«
Sie nickte kurz.
»Dürften wir kurz reinkommen? Wir müssten etwas mit Ihnen
besprechen.«
»Bitte treten Sie doch ein, meine Damen und Herren«, erwiderte die
Rothaarige betont süffisant, während sie unmerklich die rechte Augenbraue
hochzog, dabei nicht unelegant den Gürtel ihres bordeauxfarbenen Bademantels
fixierte und gleichzeitig auch noch die schwere Haustür hinter ihnen schloss.
»Bitte setzen Sie sich doch«, fuhr sie sichtlich unbeeindruckt von der
anwesenden Staatsmacht fort und deutete in Richtung Couchgarnitur. »Ich hol
erst mal Kaffee. Letzte Nacht war etwas heftig.« Sie verschwand in der Küche,
ohne eine Reaktion abzuwarten.
Die verblüfften Kommissare ließen sich auf der knallorangenen Couch
nieder, während aus der Küche dezentes Klappern zu vernehmen war. Haderlein
grübelte. Die Frau kam ihm überhaupt nicht bekannt vor, obwohl sie doch direkt
in seiner Nachbarschaft wohnte. Merkwürdig. Und dann die Möbel. Die Couch
passte nicht wirklich zur restlichen Einrichtung. Alles war spießig in dunklem
Holz gehalten und fast klinisch sauber. Cremefarbene Bodenfliesen und
dunkelgrüne Vorhänge an den Fenstern. Ansonsten fühlte er sich wie im
Fischereimuseum. Auf einer Vitrine aus Eiche war ein riesiger ausgestopfter
Fisch zu sehen, dessen Art er nicht kannte. Und mittendrin in der Wohnromantik
stand dieses orangefarbene Sofa. Es passte in das Zimmer wie ein Wackelpudding
auf ein
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