Das Alabastergrab
mir mal einen Gefallen tun, Ruckdeschl?‹
angekrochen!« Damit entschwand er Richtung Absperrung.
Kommissar Haderlein musste wohl oder übel grinsen. Der Tag könnte
für den armen Lagerfeld fürwahr besser laufen. Trotzdem hatte er in diesem Fall
nicht unrecht. Selbst wenn auf dem Handy noch Fingerabdrücke gewesen wären,
hätte er sie höchstselbst beim Herausfingern zerstört. Zudem war er sich
ziemlich sicher, dass der fürchterliche Käsefuß des Toten alle eventuellen
Spuren auf dem Gerät weggeätzt hatte. Aber Spekulationen konnte er jetzt nicht
brauchen, es wartete harte Ermittlungsarbeit auf ihn.
Zuerst versuchte Kommissar Haderlein, das Handy zum Leben zu
erwecken. Vergeblich. Als er den Deckel für den Akku öffnete, lief ihm sogleich
das Wasser entgegen. Damit wusste er nun auch, warum das Sony Ericsson tot war.
»Wäre auch zu schön gewesen«, murmelte er, dann sagte er laut: »Na gut,
Lagerfeld, äußern Sie sich mal dazu. Sie sind doch fürs Technische zuständig.
Das hier ist Ihre große Chance, der Obduktion zu entgehen. Bringen Sie das Ding
wieder zum Laufen, und es gibt drei Extrapunkte vom Chef.«
Lagerfeld war froh, endlich eine Beschäftigung serviert zu bekommen,
und nahm ihm schnell das Telefon aus der Hand. Er betrachtete es von allen
Seiten. »Also, des is a PDA , Chef,
nicht nur a gewöhnliches Handy. Und zwar von der allerneuesten Sodde. Damit kann
mer net blos nur telefonieren, sondern auch sei Notizbuch ersetzen, Musik hören
und neis Internet. Sogar E-Mails verschicken kann mer, wenn mer moch. So a Art
Kompaktbüro, wenn Se verstehen, was ich mein, Chef.«
Aber Haderlein verstand bestenfalls nur die Hälfte. Das Technikzeug
konnte ihm gestohlen bleiben. Virtuelle Spurensicherung und Cyberspace waren
das Spezialgebiet Lagerfelds und anderer jüngerer Kollegen. Seine Welt bestand
noch aus guten alten Fußspuren, Kleiderfasern und Fingerabdrücken. Außerdem war
es sehr mühselig, Lagerfelds Fränkisch ins hochdeutsche Idiom zu
transformieren, obwohl es ihm nach jahrzehntelangem Aufenthalt in Bamberg
inzwischen leichter fiel.
»Außerdem is da jetzt Wasser drin in dem Teil, und der Akku is im
Arsch, weil’s ziemlich sicher ‘nen Kurzen gegeben hat«, fuhr Lagerfeld fort.
»Durch des Wasser hat der interne Speicher bestimmt auch an Schlach wech, und
den Flash-Memory-Stick könne mer todsicher auch vergessn. Also, wenn Se mich
fragn, Chef, wird des a weng eng mit dena Dateien auf dem Ding da.«
Haderlein stand da, den Kopf schief gelegt, die Augen konzentriert
zusammengekniffen, und trotzdem konnte er nicht begreifen, was sein junger
Kollege ihm gerade sagen wollte. Flash, Memory …? Was war aus dieser Welt nur
geworden. »Okay, Lagerfeld«, sagte er resigniert und hob beide Hände über
seinen Kopf. »Eine Frage: Kriegen Sie das Handy jetzt wieder zum Laufen oder
nicht?«
»Eher nicht, Chef«, stellte Lagerfeld trocken fest. »Des muss nach
Nürnberch zu die Spezialisten. Wenn überhaupt, finna nur die noch was.«
Gut, immerhin hatte er damit eine aussagekräftige Antwort erhalten.
Während er das kleine grüne Notizbuch aufschlug, schaute Lagerfeld ihm über die
Schulter. Von Wohlfühldistanz hatte der wohl auch noch nie etwas gehört.
»Viel aufschlussreicher is des fei a net, Chef. Des is ja genauso
patschert nass wie des Handy.« Haderlein fuhr von Lagerfelds Kommentar völlig
ungerührt fort, das Notizbuch langsam und konsequent Seite für Seite
durchzublättern. Aber wo Lagerfeld recht hatte, hatte er recht. Jede Seite war
eine impressionistische Krakelei in Weiß und Blau. In Gauß’scher
Normalverteilung hatte das Wasser den Kugelschreiber über das Papier
verschmiert. Noch mal Pech. Plötzlich nahm Lagerfeld ihm das Notizbuch aus der
Hand.
»Wardens amal, Chef«, er fingerte vorsichtig an der letzten Seite
herum, »da pappt was zam.« Tatsächlich. Die letzte Seite war gar nicht die
letzte Seite, sondern war nur am Einband festgeklebt gewesen. Mit
überraschendem Fingerspitzengefühl löste Lagerfeld die Seite ab. Ein Aufkleber
mit der Adresse »Edwin Rast, 96079 Bamberg, Concordiastr. 17« kam zum
Vorschein. Darunter verbarg sich eine ziemlich schlicht in edlem Schwarz
gehaltene Visitenkarte, die ebenfalls noch gut lesbar war: »Franziskanerkloster
Kreuzberg, Diözese Würzburg, Einkehr, Übernachtungen, Brauerei«. Es folgten
noch eine Telefonnummer und eine Notiz mit Bleistift, Letztere war allerdings
wie die anderen bis zur Unkenntlichkeit
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